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Wasserball Schwimm-WM
Sayonara Wasserball

Von Cai Philippsen, Fukuoka

22. Juli 2001 Ein einziges fehlendes Tor hat über die Zukunft einer Sportart in Deutschland entschieden. Ein einziger gezielter Wurf hätte den Wasserballern eine Perspektive gegeben. Doch die Niederlage gegen Kasachstan mit zwei Toren Unterschied gab bei Punktgleichheit mit den Kasachen und Griechenland den Ausschlag.

Ausgeschieden in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Fukuoka. „Damit ist der Sargdeckel für Wasserball in Deutschland zu“, umschrieb Bundestrainer Hagen Stamm die Situation in gewohnt markigen Worten.

Als Bundestrainer kann Stamm seine Familie nicht ernähren

Der 323-fache Nationalspieler steht mit seinem Namen für die Glanzzeit des deutschen Wasserballs in den 80-er Jahren. Er war zwei Mal Europameister, gewann Bronze bei Olympia und Weltmeisterschaft. „Er hat unseren Respekt als Mensch, als ehemaliger Spieler und als Trainer“, betont Mannschaftskapitän Patrick Weissinger.

Stamm war nach vielen Fehlbesetzungen auf dem Trainerposten, mit denen der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) seinen Teil zum Untergang beitrug, ein Glücksfall. Doch ohne Aussichten auf einen Aufschwung, ohne Hoffnung auf professionellere Arbeitsbedingungen wird sich der selbstständige Unternehmer wieder in den Arbeitsalltag zurückziehen. Als Bundestrainer kann er seine Familie nicht ernähren.

Ergebnis Griechenland - Kasachstan war vorhersehbar

Die erwartet deutliche 7:14 (2:4, 3:3, 1:3, 1:4)-Niederlage gegen Olympiasieger Ungarn am Sonntag war unerheblich. Entscheidend war dagegen, dass sich Griechenland und Kasachstan (5:4) genau mit einem Tor Unterschied getrennt haben, dem für beide Teams vorteilhaften Ergebnis. Stamm hatte das Resultat bereits vorhergesagt. Den Griechen ist kein Vorwurf zu machen, hätten sie höher gewonnen, wäre Kasachstan ausgeschieden und Griechenland hätte die Minuspunkte aus der Niederlage gegen Deutschland in die Zwischenrunde mitgenommen.

So wollen es die unübersichtlichen Regeln, und Hagen Stamm lag wohl richtig, als er sein Team als „Opfer des Systems“ bezeichnete. Doch mit einem Sieg gegen die mittelmäßigen Kasachen hätte das DSV-Team alle Rechenspielchen überflüssig gemacht.

Attraktiver Teamsport vor dem Aus

Mit dem frühen WM-Aus steht der attraktive Teamsport in Deutschland endgültig vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Es scheint als hätte Deutschlands kränkelnde Ballsportler alle ein Problem. Sie gewinnen die schweren Spiele oft unerwartet, wie die Wasserballer gegen Griechenland (9:8) und verlieren die entscheidenden Partien gegen vermeintlich leichte Gegner, wie gegen Kasachstan (4:6). Die Handballer scheiden nach diesem Prinzip seit Jahren vorzeitig aus.

Hätte die Mannschaft die Zwischenrunde der besten zwölf Teams erreicht, wäre sie schon fast am gesteckten Ziel gewesen. Mit Platz elf wären die Wasserballer zumindest in die zweite Förderstufe des Bundes zurückgekehrt. Das hätte Lehrgänge und Trainingslager ermöglicht, vielleicht sogar ein paar Mark für die Spieler.

„Eine Etage unter dem Keller“

Ohne das Geld des Bundesinnenministeriums sind die Teamsportler auf Eigenmittel des finanziell angeschlagenen DSV angewiesen. Doch auch der Verband verteilt sein weniges Geld nach dem Leistungsprinzip. Und da stehen die Schwimmer und die Wasserspringer in der ersten Reihe.

„Wir sind eine Etage unter dem Keller“, beschrieb Stamm die finanzielle Situation. Während in den guten Nationalteams ausschließlich Profis spielen, würden die Deutschen „für ein Mittagessen“, „für einen feuchten Händedruck“ spielen. Deswegen ist den jungen deutschen Spielern ihre Berufsausbildung wichtiger als Training und Wettkampf. Deswegen blieb auch Marc Politze, der derzeit beste in Deutschland, in Hannover und schreibt Klausuren an der Uni.

DSV ist gefordert

Nun spielt die deutsche „Studentenmannschaft“ nur noch um die Plätze 13 bis 16. So unwichtig diese Partien auch sind, die Spieler sollten ihre Auftritte genießen. Bis auf weiteres wird keine deutsche Mannschaft mehr die Qualifikation für ein großes Turnier überstehen.

Der DSV ist nun gefordert. Er kann nicht einfach eine seiner Disziplinen, es wäre nach Synchronschwimmen schon die Zweite, untergehen lassen. Die Hoffnung, dass irgendwann ein Team an die glänzenden 80-er Jahre anknüpfen kann, stirbt zuletzt. Aber die Chance tendiert gegen Null.

Ergebnisse Wasserball

Gruppe B:
Ungarn - Deutschland  14:7 (4:2, 3:3, 3:1, 4:1),
Griechenland - Kasachstan 5:4.

Abschlusstabelle:
1. Ungarn 3 Spiele / 32:20 Tore / 6 Punkte;
2. Kasachstan 3 / 13:16 / 2;
3. Griechenland 3 / 23:24 / 2;  
4. Deutschland 3 / 20:28 / 2.

(Die ersten drei sind qualifinziert für die Zwischenrunde).

Direkter Vergleich bei Punktgleichheit:
2. Kasachstan 2 / 10:9 / 2;
3. Griechenland 2 / 13:13 / 2;
4. Deutschland 2 / 13:14 /

(Frankfurter Allgemeine Zeitung 22. Juli 2001)


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