Australien

Vor den Jahrtausendspielen in Sydney (4)

Im Haifischbecken.
Australien fordert die Welt im Wasserball heraus


VON DR. GÜNTER SCHWILL


Die Entscheidung bei den "Aussie Sharks" ist gefallen. Die 13 schnellsten und gefährlichsten "Haie" unter Australiens Wasserballspielern sind nominiert worden, um die Welt bei den 27. Olympischen Spielen herauszufordern.
Wie überall, verlief auch in Australien diese Auswahl nicht ohne Härtefälle. Drei Spieler der letzten Europareise konnten nicht berücksichtigt werden. Die Mannschaft unter Trainer Don Cameron stellt sich als eine Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern dar, Olympiaroutine paart sich mit jugendlichem Elan.

Erst seit einem halben Jahrhundert nimmt Australiens Wasserballsport an Olympischen Spielen teil. Der Auftakt erfolgte 1948 in London mit insgesamt 18 teilnehmenden Mannschaften. Nach zwei Spielen aber war der olympische Stern schon erloschen. Gegen den späteren Olympiasieger Italien gab es eine 0:9-Auftaktschlappe, gegen Jugoslawien ein 3:12. Nicht viel besser sah es vier Jahre später in Helsinki aus. Unter 21 gemeldeten Nationen hatte Australien zwei Qualifikationsspiele zu bestreiten. Wieder gab es zum Auftakt gegen den späteren Silbermedaillengewinner Jugoslawien ein 2:10, das folgende 0:6 gegen Österreich bedeutete erneut ein frühes Ausscheiden.

Melbourne - Spiele im eigenen Land
Bei nur 10 Meldungen zum Wasserball-Turnier 1956 in Melbourne standen Australiens Chancen nicht schlecht, doch an die führenden europäischen Nationen war nicht heranzureichen. Immerhin gelang der erste Olympiasieg mit 3:2 gegen Singapur.
In Rom 1960, bei der 4.australischen Olympiateilnahme, stoppten Jugoslawien (6:2), Holland (5:3) und Südafrika (3:2) die Hoffnungen des Teams vom Fünften Kontinent. Tom Hoad, eine der grossen Gestalten des australischen Wasserballs, spielte hier bei einer seiner vier Olympiateilnahmen. Aus dieser Zeit rühren seine Kontakte zu Rote Erde Hamm und speziell zu Hansi Schepers. Zum Sprachstudium stiess Tom Hoad deshalb in der Folge zum Spielerkader von Hamm, wenn er auch nicht wegen der Ausländer-Regel an der Deutschen Meisterschaft teilnehmen durfte.
1964 in Tokyo traf Australien im Olympiaturnier erstmals auf ein deutsches Team. Die DDR, die Deutschland damals repräsentierte, gewann 3:1. Zum Mammutfeld von Mexiko 1968 waren 16 Mannschaften gemeldet, doch das australische Team, obwohl in Mexiko schon anwesend, musste auf die Teilnahme verzichten, da Verbandsvorschriften missachtet worden waren.
In München 1972 gab es zwei Achtungserfolge. Ein Unentschieden gegen Griechenland (4:4) brachte von fünf Vorrundenspielen (u.a. ein 3:6 gegen Deutschland) die nächste Runde ein, in der noch einmal gepunktet wurde (4:4 gegen Bulgarien). Tom Hoad war hier inzwischen mit 32 Jahren der Senior der Mannschaft mit über 100 Länderspieleinsätzen. Sein Freund Schepers trat in München als Bundestrainer auf. Die Trainerfunktion war auch Hoads nächste Aufgabe, die er viermal bei Olympia versah.
Mit einem so erfahrenen Coach wie Hoad, dazu polyglott, vollzog sich der Anschluss an die grossen Teams immer mehr. In Montreal 1976 traf Deutschland in der Vorrunde auf Australien und hatte Mühe beim 4:3-Sieg. 1980 in Moskau erreichte Australien mit dem 7.Platz die bis dahin beste Platzierung, die dann 1992 in Barcelona noch einmal mit Rang 5 verbessert wurde. Der Rückschlag kam 1996, als das Stehvermögen beim Qualifikationsturnier in Berlin nicht für Atlanta reichte.

Hohe Erwartungen an den Trainer Don Cameron

Der kürzlich erfolgte Trainerwechsel in Australien setzte die Fachwelt in Erstaunen. Donald Cameron löste Erkan Schagajew ab. Der Russe Schagajew, Olympiasieger von Moskau, hatte das australische Team bei der WM in Perth 1998 bis ins "kleine Finale" gebracht und mit Platz 4 die bisher beste internationale Platzierung erreicht. Auch seine Nachwuchsschulung verlief beispielhaft, was die Vizeweltmeisterschaft bei den Junioren 1999 in Kuweit bewies.
Doch kaum hatten die Spieler ihre Silbermedaillen erhalten, hatte Schagajew seine Kündigung in Händen. Die Männermannschaft hatte sich gegen ihn verschworen und plante, geschlossen zurückzutreten. Donald Cameron, als Torwart in Seoul 1988 Olympiateilnehmer und dabei Achtplatzierter, sprang als "Retter" ein und übernahm die "Aussies".
Aber welcher bittere Einstand! Beim Weltcup in Sydney, der olympischen Generalprobe vor Jahresfrist, gelang von 5 Spielen kein einziger Sieg, die Enttäuschung allgemein war riesengross. Inzwischen hat sich das Team gefunden, hat Turniere in Amerika und Europa gespielt - und darf hoffen.

Die Mannschaft
Die Mannschaft wurde gegenüber der Weltmeisterschaft nur auf wenigen Positionen verändert. Kapitän Daniel Marsden und Mark Obermann (trotz Metacarpalbruchs der linken Hand Ende Juli dabei) sind beide olympiaerfahren durch die Spiele in Barcelona. Mit ihnen spielen weitere fünf Mann, die bei der enttäuschenden Olympia-Qualifikation vor 4 Jahren in Berlin schon dabei waren. Sie wollen es jetzt wissen. Zu ihnen zählen besonders Nathan Thomas und Craig Miller, die zwischenzeitlich nach der WM bei CN Barcelona unter Vertrag standen. Sie können sich mit ihrem Mitspieler Andrej Kovalenko in Spanisch unterhalten, der bis vor kurzem im katalanischen Sabadell auf Torjagd ging. Der gebürtige Ukrainer spielte 1996 in Atlanta beim Olympiaturnier für sein früheres Heimatland. Craig Miller übrigens ist nach Sydney wieder in Spanien zu sehen. Seine vier Länderspieltore kürzlich gegen die Niederlande brachten ihm einen neuen Vertrag ein.
Timothy Neeshan, dessen Vater dreifacher Olympiateilnehmer war (1972,1976,1980), und Thomas Whalan sind die beiden Junioren-Vizeweltmeister, denen der Sprung ins Team glückte. Christian Hoad, vor zwei Jahren noch für Rote Erde Hamm in der Deutschen-Jugendmeisterschaft am Start (Deutscher Vizemeister hinter SC Wedding) und im Jahr darauf in Kuweit erfolgreich, schaffte den Sprung ins Olympiateam noch nicht.
Dass Trainer Don Cameron mit ganzem Herzen für die Sache des Sports eintritt, beweist sein Engagement als olympischer Fackelläufer. Am 3.September trägt er das Olympische Feuer und bringt es dem Ziel Sydney näher, das auch sein und aller Australier geheimes Ziel ist.


Es spielen für Australien:
Eddie Denis (Torwart), Daniel Marsden (Kapitän), Andrej Kovalenko, Sean Boyd, Craig Miller, Timothy Neesham, Gavin Woods, Thomas Whalan, Rod Owen-Jones, Mark Oberman, Rafael Sterk (Torwart), Nathan Thomas, Grant Waterman. Trainer: Don Cameron.

  copyright by Dr. Günter Schwill, 24. August 2000


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