Vor der 25.Europameisterschaft in Budapest

Von Dr. Moritz Nussbaum zu Hagen Stamm
Eine Grußadresse zum Geburtstag am 12. Juni

VON DR. GÜNTER SCHWILL

 
Ein Original-Poststempel von der 1.Europameisterschaft vom 22. August 1926 in Budapest (Archiv: Dr. G. Schwill)

Zum 75. Jahrestag der 1. Europameisterschaft in Budapest (1926) kehrt die Wasserball-Elite in Ungarns Hauptstadt zu den 25.Jubiläumsspielen zurück. Zwischen den Trainern der deutschen Mannschaften von einst und jetzt , Dr. Nussbaum und Hagen Stamm, soll ein Bogen geschlagen werden. So unterschiedlich sich auch ihre Vita liest, sie verkörpern beide außergewöhnliche Gestalten der deutschen Sportgeschichte.
Wer kennt eigentlich Dr. Moritz Nussbaum? Nahezu unbekannt und doch Nestor der deutschen Wasserballer. Jahr für Jahr, wenn der galvanisierte Olympiaball von 1928 dem Deutschen Meister überreicht wird, lebt auch die Erinnerung an Dr. Nussbaum fort. Die Wasserfreunde Spandau 04, deren Präsident Hagen Stamm ist, haben diese Siegestrophäe seit 22 Jahren nahezu abonniert. Auf ihrem Marmorsockel sind die Namen der Goldmedaillengewinner und ihres Trainers Dr. Nussbaum eingraviert. Das aber ist beinahe das letzte Lebenszeichen eines bedeutenden Sportführers.

Nussbaum war der erste Trainer einer deutschen Wasserball-Nationalmannschaft, die sich um Europa- und Weltmeisterehren bewarb. Der promovierte Münchener Arzt, zuvor als Schiedsrichter in den Spielen um die Deutsche Meisterschaft sowie als Sportreferent für die Vorbereitung der Olympischen Spiele von Amsterdam im Einsatz, betreute die deutsche Mannschaft bei der 1. Europameisterschaft im August 1926 in Budapest.
Folgende Spieler, mit denen er die Bronzemedaille hinter Ungarn und Schweden gewann, hatte er nominiert:
Otto Haueisen (Torwart), Otto Cordes, Emil Benecke, Max Amann , Ete Rademacher (alle Hellas Magdeburg), Karl Bähre, Itze Gunst, Otto Kühne (alle Wasserfreunde Hannover) und Erich Treis (Poseidon Köln) .
Zum Team gehörten auch Joachim Rademacher (Hellas Magdeburg) und Herbert Heinrich (Poseidon Leipzig), die aber wegen ihres großen Schwimmprogramms (beide holten Gold in der 4x200 m-Freistilstaffel und Medaillen in den langen Freistil-Disziplinen) im Wasserball nicht eingesetzt wurden.
1927 bei der 2. Europameisterschaft in Bologna scheitert die deutsche Wasserballmannschaft durch ihre Auftaktniederlage gegen Schweden (4:7) auf Grund des Bergvall-Spielsystems daran, in den Kampf um Medaillen eingreifen zu können. Siege gegen Spanien (9:0) und gegen die Tschechoslowakei (8:0) lassen nur noch einen fünften Platz zu. Dr. Nußbaum aber gilt bereits als internationale Kapazität und leitet mit Erfolg mehrere Länderspiele als Schiedsrichter.

Das Gesicht der Wasserball-Nationalmannschaft lautete hier: Haueisen, Cordes, Amann, Benecke und Ete Rademacher (alle Hellas Magdeburg), Gunst, Karl Bähre (beide Wasserfreunde Hannover), Friedel Berges (Jung-Deutschland Darmstadt), Karl Maier, Torwart Johannes Blank und Gustav Schürger (Bayern 07 Nürnberg).

DER OLYMPIASIEG VON AMSTERDAM

Der Erfolg der deutschen Wasserballmannschaft von Amsterdam erhellte wie ein Blitz den internationalen Sporthimmel. Bei zwei Olympischen Spielen nacheinander geächtet, erschien nun die deutsche Mannschaft in der Rolle des berühmten "Phönix aus der Asche", kämpfte die starke Konkurrenz der Belgier, Engländer und Ungarn nieder, zweimal dabei erst nach Verlängerung, und holte sich die Goldmedaillen.

Unvergessen die "Goldjungen": Ete und Aki Rademacher, Egon Cordes, Emil Benecke, Max Amann (alle Hellas Magdeburg), Karl Bähre und Fritz Gunst (beide Wasserfreunde Hannover). Zum Einsatz im Spiel gegen England kam Torwart Johannes Blank (Bayern 07 Nürnberg), weiter gehörten zur Mannschaft Otto Kühne und Heini Atmer (beide Wasserfreunde Hannover) sowie Karl-Heinz Protze (Hellas Magdeburg).

Als Vater des Erfolges aber wurde in Amsterdam Dr. Moritz Nußbaum gefeiert. Ehrungen und Anerkennungen gab es in großer Zahl. Eine Geste besonderer Art hatte sich der deutsche Trainer der holländischen Mannschaft, Martin Meigen, ausgedacht. Er hatte "den Endspielball erworben, mit Kennzeichen versehen und ihn der deutschen Mannschaft und ihrem verdienten Trainer noch im Quartier der Deutschen in Zandvoort feierlich zum Geschenk gemacht. Martin Meigen erläuterte dazu, daß es ihm als Deutschen, der eine Zeitlang für ein fremdes Land arbeitete, eine große vaterländische Freude gewesen sei." (DS 1929/2).


Dr.Moritz Nußbaum und seine "Goldjungen" am Strand von Zandvoort 1928 - außen die Brüder Rademacher. (Archiv: Dr. G. Schwill)  

Nußbaum befand sich nun auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Als deutscher Wasserballwart wird er in die FINA berufen und bekleidet das Amt des Sekretärs im Wasserballrat. Damit sitzt er an den Schalthebeln der Wasserballpolitik. Sein Auftreten ist ruhig, unerschütterlich, selbstbewußt.

Diese Merkmale hatten ihn auch ausgezeichnet, als er in Amsterdam das Prestige- Duell Ungarn gegen USA leitete. Die Amerikaner traten in dieser Begegnung mit dem Weltrekordler Johnny Weißmüller an, der extra auf seinen 400m-Wettkampf verzichtet hatte, um seinem Team die nötige Spritzigkeit zu verleihen. Aber im Wasserball zählt nicht nur das Tempo! Mit 5:0 (2:0) erteilten die Magyaren ihrem Herausforderer eine Lektion! Bernhard Skamper kommentierte: "Dr. Nußbaum (Deutschland) leitete diesen Kampf mit größter Umsicht und unerschütterlicher Ruhe."

Eine Symbolik besonderer Art geschieht in München. Bald schon nach dem großen Erfolg in Amsterdam lautet die neue Postanschrift: Dr.med. Moritz Nußbaum, München 2 SW, Nußbaumstraße 12. Reverenz vor dem Olympiasieg, Eitelkeit oder Zufall?

Erfahrungen und Wissen faßt Moritz Nußbaum in einem "Lehrbuch des Wasserballspiels" zusammen, das bei Quelle & Meyer, 1930 in Leipzig erscheint. In einem reich bebilderten handlichen Taschenbuch werden Trainingslehre, Technik und Taktik ausführlich abgehandelt. Der historische Teil allerdings weist viele Fehler auf, die bis in unsere Tage immer wieder reproduziert werden.

Anfang 1931 gibt Nußbaum sein Amt als DSV-Wasserballwart ab. R.O.Brewitz führt die Nationalmannschaft zur EM 1931 nach Paris und ein Jahr später zu den Olympischen Spielen nach Los Angeles.

Das Jahr 1933 bringt für Dr. Moritz Nußbaum eine sportpolitische und menschlich-tragische Zäsur. Auf seiner Ostertagung bekennt sich der DSV zum Arierprinzip. Alle Juden, und dazu gehörte auch Moritz Nußbaum, wurden von ihren leitenden Stellen im Verband entfernt und durften auch nicht mehr bei repräsentativen Veranstaltungen und sportlichen Vertretungen in Erscheinung treten. Das Amt des Sekretärs im FINA-Wasserballrat muß er abgeben. Von da an verliert sich seine Spur.......

Nach dem Kriege ließ Bernhard Skamper im "Schwimmer" die große Zeit der Olympischen Spiele von Amsterdam noch einmal Revue passieren. Bekannte Namen wurden wieder lebendig, wie Rademacher, Gunst und Bähre. Am Ende dann ein kurzer Satz nur, und auch der in Klammern, ganz verschämt: Dr. Moritz Nußbaum ist tot.
Einzig der Spielball von Amsterdam, vom SV München 99 im Jahr 1949 dem DSV zum ewigen Wanderpreis übergeben, bewahrt das Vermächtnis des Dr. Moritz Nußbaum.

Stamm: Seine Gegner fürchteten ihn wie den weißen Hai

Hagen Stamm ist in der Reihe der deutschen Nationaltrainer der derzeit letzte. Er startete eine erfolgreiche Karriere als Wasserballspieler. Dazu gehörte u.a. die Teilnahme an drei Olympischen Spielen mit dem Medaillengewinn von Los Angeles, der Sieg bei zwei Europameisterschaften (1981 und 1989), der Gewinn des Weltcups (1985) sowie die Berufung in die Weltauswahl.
Mit seinem Verein wurde er von 1979 bis 1992 Jahr für Jahr Deutscher Meister und Pokalsieger, gewann außerdem viermal den Europacup der Landesmeister (heute: Champions League) und zweimal den LEN-Supercup.



Nach einem Sportstudium baute er mit Bezug zum Sport ein Firmenimperium auf: einen Fahrrad-Großhandel.
Seit 1995 stellte er sich als Präsident der Wasserfreunde Spandau 04 zur Verfügung. Ihm, dem der Wasserballsport eine Herzensangelegenheit ist, tat der Niedergang des deutschen Wasserballs besonders weh. Verpasste Olympiaqualifikation für Sydney und kein Geld im Verband, langfristig kaum auf Besserung zu hoffen. Kurzentschlossen sprang er im Herbst 2000 in die Trainervakanz ein, sein Elan reißt sichtbar die Aktiven mit.

Ein Erfolg in Budapest ist Hagen Stamm für den deutschen Wasserballsport zu wünschen, er wäre auch für ihn das schönste Geburtstagsgeschenk.

(copyright by Dr. Günter Schwill, 11.06.2001 )


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