22. Titel für
Spandau in einem Herzschlagfinale
Berlin (dpa) - Die Wasserfreunde Spandau 04 sind zum 22.
Mal deutscher Wasserball-Meister der Männer. In einem
dramatischen Finale besiegten die Berliner in der
Schwimmhalle Schöneberg im fünften Spiel der Finalserie
nach dem Modus «best of five» Waspo Hannover nach Verlängerung
mit 9:8 (3:1, 1:2, 3:1, 1:4; 1:0, 0:0) und ließen sich
anschließend von den gut 750 Zuschauern ausgiebig feiern.
Die Begegnung hatte nach dem 2:2-Zwischenstand - Spandau
hatte die ersten Begegnungen mit 5:3 und 5:2 gewonnen,
Hannover dann mit 10:7- und 6:5-Erfolgen ausgeglichen -
vom Anpfiff an einen typischen Finalcharakter, wobei
immer wieder Gastgeber Spandau in Führung ging und
Hannover mit viel Kampfgeist und einem überragenden
Vollender Sven Reinhardt verkürzen konnte. Auch zwei
Drei-Tore-Vorsprünge zum 4:1 und dann zum 7:4 zu Beginn
des vierten Spielabschnitts nutzten dem Titelverteidiger
nichts. Hannover glich zum Ende der offiziellen Spielzeit
zum 8:8 aus.
Erst in der Verlängerung schaffte Lasse Noerbaek, der
damit sein letztes Spiel für Spandau bestritt, einen
Vier-Meter-Strafwurf zum entscheidenden 9:8-Endstand. Die
Torschützen der Berliner waren Lasse Noerbaek (3),
Alexander Elke (2), Slawomir Andruskiewicz, Rene Grotzki,
Thomas Schertwitis und Jens Pohlmann (je 1). Für
Hannover trafen Sven Reinhardt (4), Marc Pollitze (2),
Arne Hartmann und Sören Mackeben (je 1). (3. Juni 2001)
Dramatik
im letzten Finalspiel
Sektfontänen
im Bassin, der Trainer flog ins kühle Nass: Nach dem
Gewinn des 22. Meistertitels durch die Wasserfreunde
Spandau 04 brachen in der Schöneberger Schwimmhalle alle
Dämme. Mit dem achten Meistertitel in Serie erkämpften
die Berliner nach einer dramatischen Finalserie ihren
insgesamt 50. nationalen Titel. Neben ihren 22 Titeln können
die Spandauer auf 19 Pokalsiege und 9 Supercups verweisen.
An allen Erfolgen war Peter Röhle beteiligt, bis 1997
als Torwart, ab 1998 als Trainer. "Doch an ein solch
spannendes Finale wie diesmal kann ich mich nicht
erinnern", meinte der 44-Jährige, als er
klitschnass aus dem Becken kletterte. Erst nach der Verlängerung
des letzten Spiels im Modus "best of five"
zwischen Spandau 04 und Waspo Hannover stand der Sieger
fest. Den anfänglichen Erfolgen des Titelverteidigers (5:3
und 5:2) ließ Waspo zwei Siege (10:7 und 6:5) folgen. Im
Entscheidungsmatch führten die Berliner schon mit 7:3,
doch Hannover schaffte fünf Sekunden vor dem Abpfiff
noch das 8:8 und damit den Sprung in die Verlängerung,
in der dann der frühere Däne Lasse Noerbaek das goldene
Tor erzielte.
"Unsere wichtigsten Saisonziele haben wir erreicht",
bilanzierte der Spandau-Coach, "doch leider nicht
alle." Meistertitel, Supercup- Gewinn und Erreichen
der Champions League sieht er auf der Habenseite. "Wir
wollten aber in der Chamions League bis ins Halbfinale
vorstoßen, das ist uns nicht gelungen", vermerkte
er. Im Gegensatz zu Europas Spitzenteams, die zumeist
unter Profi- Bedingungen trainieren, hätten die
deutschen Vereine nur Amateurniveau. "Und wenn dann
in einer harten Phase mit Ligaspielen, Pokal und
Auswahleinsätzen auch noch die Duelle in der Champions
League zu bestreiten sind, dann treten physische und
psychische Defizite auf", so Röhle.
Ob der Meisterschafts-Modus die optimale Lösung sei, ist
sich der Spandauer nicht sicher. "Wir sind innerhalb
weniger Wochen im Halbfinale und dann in den Endspielen
siebenmal auf Hannover getroffen. Das ist vielleicht ein
wenig zu viel des Guten. Vor allem für die Zuschauer."
Die Wasserfreunde Spandau 04 werden nun ihre Mannschaft
umstellen müssen. Noerbaek beendet seine Laufbahn,
Nachwuchstalent Timo Purschke wechselt zum ASC Duisburg.
Mit Nationalspieler Christian Ingelath aus Hamm konnte Röhle
bereits eine erste Neuverpflichtung bekannt geben. "Und
wir sind zudem in Ungarn und in Jugoslawien in ersten
Verhandlungen", sagte Röhle. "Denn wenn wir
uns nicht entscheidend verstärken, werden wir auch im
kommenden Jahr im europäischen Maßstab nur eine mittelmäßige
Rolle spielen."
(dpa
Berlin 4.6.2001)
Nach unglücklichem
Aus fließen die Tränen
VON GERD KUJATH
Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Der Eindruck,
den dieses Zitat vermittelt, drängte sich am
Pfingstsonntag nicht nur den 300 Schlachtenbummlern von
Waspo Hannover auf. Von denen weinten etliche nach der überaus
unglücklichen 8:9 (1:3, 2:1, 1:3, 4:1; 0:1)-Niederlage
nach Verlängerung ihrer Mannschaft im entscheidenden 5.
Finalspiel um die deutsche Wasserballmeisterschaft bei
Spandau 04. Selbst neutrale Beobachter wunderten sich über
zwei Schiedsrichterentscheidungen von ausschlaggebendem
Charakter.
Da hatte Sven Reinhardt mit seiner besten Leistung seit
zwei Jahren die Lindener nach einem 1:4- und 3:7-Rückstand
auf 6:8 herangebracht, als ihn der Esslinger Referee
Ulrich Spiegel im Schlussviertel wegen Reklamierens aus
dem Wasser verbannte. Vorausgegangen war ein Abwurf von
Torwart Michael Zellmer, den Spiegel an der Beckenwand
gesehen haben wollte, bevor ihn Reinhardt aufnahm. "Auch
in einem Hallenbad mit Steinbegrenzungen sind
Seitenleinen vorgeschrieben, die hier regelwidrig nicht
installiert waren", kommentierte Helmut Rode,
niedersächsischer Wasserballwart, als objektiver
Zuschauer diese umstrittene Aktion.
Doch Waspo glaubte weiter an sich. Schien Arne Hartmanns
Anschlusstreffer in der letzten Minute der regulären
Spielzeit nur Ergebniskosmetik zu bedeuten, gelang den
Lindenern danach ein wahrer Geniestreich. Fünf Sekunden
vor der Sirene bediente Marc Politze Sören Mackeben, der
das scheinbar Unmögliche erzwang. Dass in der anschließenden
Verlängerung Spandaus Jens Pohlmann, obwohl im Zweimeter-Abseits
schwimmend, auch noch einen Viermeter-Strafwurf erhielt,
den Lasse Noerbaek zum Siegtreffer und 22. Titelgewinn
nutzte, "hat mich arg verblüfft", meinte Rode.
Auf Hagen Stamm, der sich in den Play-offs eindeutig mehr
als Spandauer fühlte, deren Präsident er ist, als
Bundestrainer wartet eine schwere Aufgabe. Zum Aufgebot
der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft vom 15.
bis 24. Juni in Budapest zählen nämlich nicht nur
Berliner Spieler, sondern auch die Waspo-Akteure Michael
Zellmer, Sören Mackeben, Marc Politze und der nach
starken Leistungen nachnominierte Daniele Polverino.
Reinhardt, den Stamm entgegen seinen vorherigen Aussagen
auch noch integrieren wollte, sagte nicht aus Enttäuschung,
sondern aus Examensgründen ab.
Tore für Waspo: Sven Reinhardt (4), Marc Politze (2),
Arne Hartmann, Sören Mackeben.
(Hannoversche
Allgemeine Zeitung 4.6.2001)
Nur Vizemeister
- Waspo tanzt trotzdem
VON STEFAN DINSE
Waspo hat das dramatische fünfte Endspiel bei Spandau 04
nach Verlängerung verloren.
Es war das spannendste Finale aller Zeiten, da waren sich
beide Trainer einig. Waspo unterlag trotz furioser
Aufholjagd durch einen strittigen Strafwurf 8:9 (2:3, 2:1,
1:3, 4:1, 0:1). "Wir sind moralischer Sieger, meine
Spieler sind die Größten", sagte Coach Bernd
Seidensticker stolz.
Im Fössebad gab es abends für 200 Fans Freibier.
Seidensticker tanzte auf dem Tisch. "Vizemeister,
trotzdem Stimmung - das sind wir!", sangen die
Lindener unentwegt.
Mit zwei Bussen waren Waspos Schlachtenbummler angereist,
lieferten 350 Berliner Anhängern in der Schöneberger
Schwimmhalle einen musikalischen Kampf. "Wir konnten
unsere eigenen Worte nicht verstehen", meinte
Seidensticker.
Das 1:0 erzielte Waspos Bester: Sven Reinhardt. Der 27-Jährige
gab nie auf, warf vier Tore und brachte Linden wieder zurück
ins Spiel. Denn Spandau, geführt vom starken Kapitän
Lasse Norbaeck, zog auf 4:1 davon. Waspo traf nicht,
Berlins Getreue sangen schon vom 22. Titel. Reinhardt und
Marc Politze schafften den Anschluss.
Aber dann hatte Berlin die stärkste Phase. Hohes Tempo
und knallharte Pressdeckung ließ Waspo wie Verlierer
aussehen. 7:3 lag der Rekordmeister vorn, Thomas
Schertwitis sprang bei seiner Auswechslung mit Salto ins
Becken. Doch anschließend überschlugen sich die
Ereignisse.
Tore von Reinhardt und Politze ließen Waspo zum zweiten
Mal auferstehen, ehe Spandau wieder traf. Danach verlor
Reinhardt die Nerven: Ein Abwurf Zellmers sollte den
Beckenrand berührt haben, der Schiedsrichter erkannte
Freiwurf für Spandau. "Ich wäre ihm fast an die Wäsche
gegangen", so Reinhardt. Er sah wegen Beleidigung
Rot, durfte aber ersetzt werden.
Arne Hartmann erzielte den Anschluss, Sören Mackeben fünf
Sekunden vor Schluss per Konter den Ausgleich. "Kompliment
an Waspo, wie sie das geschafft haben", sagte
Spandaus Trainer Peter Röhle. In der Verlängerung bekam
Berlin den spielentscheidenden Strafwurf, der wegen
Abseits keiner war.
(Neue
Presse 4. Juni 2001)
Titel Nummer 22
im Finale furioso
In der Verlängerung des fünften Play-off-Spiels gewinnt
Spandau 04 die Meisterschaft
Klaus Weise
BERLIN, 4. Juni. Alles drin, alles dabei. Eine bessere
Werbung für die nicht eben medienverwöhnte Sportart
Wasserball als das Play-off-Finale zwischen Serien-Champion
Wasserfreunde Spandau 04 und Herausforderer Waspo
Hannover hätte man sich kaum vorstellen können. 2:2
stand es nach vier Partien der Best-of-five-Serie, in der
der Titelverteidiger schon 2:0 vorne lag und dann die
Niedersachsen überraschend zurückschlugen.
So gesehen waren sie vor dem Schlussakt am Pfingstsonntag
in der Schöneberger Schwimmhalle trotz des Berliner
Heimvorteils wohl psychologisch sogar leicht im Vorteil.
Zumal Spandaus herausragender Torwart Alexander Tchigir
fußverletzt ausfiel und Ersatzkeeper Igor Uchal in den
Kasten musste. "Normalerweise musste man das als
eine Schwächung ansehen", meinte Wasserfreunde-Präsident
Hagen Stamm. Normalerweise.
Die Gala von Igor Uchal
Aber was war schon normal in diesem emotionalen Duell, in
dem die zahlreichen Niedersachsen-Fans - fast die Hälfte
der 750 Zuschauer - auf der Tribüne plakativ bekundeten
"... und jetzt macht Waspo den Sack zu!" Da
ging Hannover nach anderthalb Minuten 1:0 in Führung,
doch gleich danach begann die Uchal-Gala. Mit mehreren
Glanzparaden hielt er sein Team im Spiel. Auf 4:1 zogen
die Spandauer eingangs des zweiten Spielabschnitts davon,
gar 7:3 stand es kurz vor Ende des dritten Viertels.
Einige Heim-Fans drehten schon am Draht der Sektflaschen.
Zu früh.
Hannover spielte alles oder nichts, kam auf 6:7 heran,
steckte auch die erneute Spandauer Zwei-Tore-Führung weg.
38,7 Sekunden vor Ultimo fiel das 7:8, nur 5,1 Sekunden
vor dem Ende der Ausgleich: Verlängerung von zweimal
drei Minuten. In der brachte ein Vier-Meter-Strafwurf die
9:8-Entscheidung zu Gunsten von Spandau 04. Verwandelt
hat den titelwürdigen Wurf Lasse Norbaek, der nach zehn
Jahren sein letztes Spiel für Spandau bestritt. "Heute
war es der unbedingte Siegeswille, der uns am Leben
gehalten hat", meinte der gebürtige Däne hinterher.
Meisterschaft Nummer 22 seit 1979 war zweifellos eine der
am schwersten errungenen für die Berliner. Erstmals
wurde der Titel nach Best-of-five-Modus vergeben. "Das
hat unglaublich an den Kräften gezehrt. Ich bin fix und
alle, aber ich glaube, dass der deutsche Wasserball so
etwas braucht, wenn er wieder nach oben kommen will",
sagt Auswahlspieler Jens Pohlmann. Oben, das ist da, wo
Spandau 04 national seit mehr als zwei Jahrzehnten ist.
Oben bleiben und auch international Boden gutmachen, das
wird in der kommenden Saison aber keinesfalls leichter.
Verstärkung ist nötig
Denn neben Norbaek fehlen dann auch Center-Talent Timo
Purschke (wechselt nach Duisburg) und Holger Jochem (hört
aus beruflichen Gründen auf). "Wir haben zwar eine
Reihe guter junger Leute, die im Finale ihre großen
Fortschritte bestätigt haben, aber Fakt ist, dass wir
uns verstärken müssen", ist Pohlmann überzeugt.
Auch Meister-Coach Peter Röhle, seit 1979 - zunächst
als Torwart, dann ab 1997 als Trainer - bei allen
Titelgewinnen dabei, weiß, "dass wir auf dem
jetzigen Niveau stecken bleiben, wenn sich nichts tut".
In Deutschland souverän, in der Champions League (noch)
nicht ernsthaft konkurrenzfähig - das ist die Bilanz des
Jahres. Für die neue Saison ist deshalb die
Verpflichtung neuen Personals geplant oder schon
vollzogen. Letzteres gilt für Nationalspieler Christian
Ingelath (Rote Erde Hamm), ersteres für die
Verhandlungen mit Akteuren von Ungarns Champion Budapest
und Jugoslawiens Meister Becej. Und die werden, da ist
sich Hagen Stamm sicher, "natürlich dadurch
erleichtert, dass wir nun Champions League spielen".
Kommentar - Berliner Tagesspiegel
Nur nicht zu Tode siegen
Markus Hesselmann
Wie war das doch gleich? Ins Stadion gehen die Leute,
weil sie nicht wissen, wie das Spiel ausgeht. So oder so
ähnlich lautet eines dieser weisen Worte zum Sport. Die
Wirklichkeit ist ganz anders. Fußball? Da gewinnen am
Ende immer die Bayern. Basketball? Wo Alba ist, ist vorne.
Recherchieren wir weiter, vielleicht mal bei einer
Randsportart: Wasserball! Da muss es irgendjemand mal bei
Strafe verboten haben, dass der Deutsche Meister zum
Schluss der Saison nicht Wasserfreunde Spandau 04 heißt.
Schade nur, dass das dann irgendwann niemanden mehr
interessiert. Die Wasserfreunde waren in Berlin mal eine
große Nummer mit vierstelligen Zuschauerzahlen und viel
Präsenz im Fernsehen. Dann haben sie sich zu Tode
gesiegt. Jetzt holten sich die Spandauer zum 22. Mal den
Titel - und kaum einer guckt hin. Auf höherem Niveau
droht Albas Basketballern Ähnliches. Am Wochenende
schlugen sie das zweitbeste deutsche Team, Telekom Bonn,
mit 36 Punkten Unterschied. Noch eine Zahl war
bemerkenswert: Mit 7530 Zuschauern war die Max-Schmeling-Halle
nicht ausverkauft. Zur Erinnerung: Dieses Spiel war das
erste Finalspiel um die Deutsche Meisterschaft. Für die
Spandauer war die Titelentscheidung diesmal eng. Es
klingt paradox, doch das muss sie freuen. Vielleicht
beleben ja mal eine ehrenvoll verpasste Meisterschaft und
ein neuer Angriff das Interesse. Und Alba? Da hofft man
im Stillen auf den Aufschwung im Westen. Ein großer
Gegner muss her, wie damals, als man sich mit Leverkusen
maß, den Riesen vom Rhein. In Köln gibt es
entsprechende Pläne. Folgerichtig kommt das Know-how aus
Berlin: Manager der Cologne 99ers ist Albas früherer
Spieler Stefan Baeck. Als Trainer im Gespräch: Albas
alter Meistermacher Svetislav Pesic.
Spandauer Bayern 22. Deutsche Meisterschaft für
die Wasserfreunde - aber noch nie war es so knapp, nie so
spannend
Von Torsten Wendlandt
Berlin - Es ist doch jedes Jahr dasselbe mit den
Wasserfreunden, könnte man meinen. Am Ende gehört
Wasserball-Deutschland sowieso ihnen. Das ist fast so wie
mit den Fußball-Bayern, aber natürlich nur fast.
Ganz praktisch ist es zwar schon, dass die Konkurrenz
immer heftiger strampelt, sonst verkäme die
Meisterschaft zum Langweiler. Aber am Ende, bitte sehr,
gewinnt der Rekordmeister, der stets Gejagte, der
scheinbar Unsinkbare.
Eine Serie für die Ewigkeit ist nach der 9:8 (3:1, 1:2,
3:1, 1:4/1:0, 0:0)-Wasserschlacht (mit Verlängerung)
beim fünften und entscheidenden Play-off-Finalspiels
gegen Waspo Hannover - dem besten Verlierer aller Zeiten
- noch ewiger geworden. Den 22. Meistertitel seit 1979 (nur
1993 durfte Hannover jubeln) haben die Spandauer Männer
aus dem Wasser gefischt, die 50. nationale Trophäe (mit
19 Pokalsiegen und neun Supercup-Erfolgen) geholt, den 56.
nationalen und internationalen Titel (mit vier
Europapokal- und zwei Supercup-Siegen) perfekt gemacht.
Aber so knapp, so spannend und so dramatisch war es noch
nie.
Und das kam so: Nach 2:0-Siegen schien die Sache für die
Wasserfreunde gelaufen, der Wirt der Grunewalder «Scheune»
hatte schon angezapft. Dann jedoch riss im dritten Match
in Berlin der Muskel von Kapitän Patrick Weissinger und
damit der Erfolgsfaden. Auswahltorwart Alexander Tchigir
verletzte sich schließlich im kalten und ungewohnten
Freiwasser von Hannover. Die totgesagten Niedersachsen
glichen zum 2:2 aus.
Im letzten Gefecht schließlich, als 700 Fans trommelten
bis der Putz von der Decke der Schöneberger Schwimmhalle
rieselte, lag Spandau im dritten Viertel schon 7:3 vorn.
Doch Waspo, angetrieben vom cholerisch veranlagten
Trainer Bernd Seidensticker (der wie jedes Jahr wütend
Kegel vom Beckenrand ins Wasser kickte, die
Schiedsrichter beschimpfte und erst kurz vor dem Ende Rot
sah) kam mit großer Moral zurück. Auch weil Spandau
Fehler machte, die fast zum Verhängnis wurden: Beim
Stand von 8:6 warf man zu früh, kassierte das Kontertor
zum 8:7 und nach einem Fehlpass von Rene Grotzky fiel
ganze fünf Sekunden vor der Schlusssirene der
schmerzvolle Ausgleich durch Sören Mackeben.
Schulterzucken überall, Kopfschütteln, Stille.
Völlig ausgelaugt, kraftlos hingen die Berliner in der
Pause vor der zweimal dreiminütigen Verlängerung auf
dem Beckenrand und mancher sah schon die Felle
davonschwimmen. Center-Verteidiger Alexander Elke war
nach dem dritten Foul draußen, die Jungen wie Axel
Kirsch wurden von Trainer Peter Röhle «ins Wasser
geworfen». Aber auch Hannover hatte seinen Distanzschützen
Sven Reinhardt (drei Tore) inzwischen eingebüßt.
Und dann, mit der Angst vor dem drohenden Untergang,
holten die Wasserfreunde doch noch zum letzten Schlag aus.
Nach 90 Sekunden der Krimi-Verlängerung foulte Mackeben
Jens Pohlmann - vier-Meter-Strafwurf. Ausgerechnet Lasse
Noerbaek (drei Treffer) machte das letzte Tor in seinem
letzten Spiel nach zehn Spandauer Jahren.
Und dann erst war wieder alles wie jedes Jahr: Röhle
fliegt ins Becken, ein Freudenknäuel von Spielern
hinterher, die Sektflasche kreist übers Chlorwasser,
Badekappen fliegen durch die Luft. Das Glück ist perfekt.
«Glück», sagt Center Thomas Schertwitis allerdings später,
«gibt es im Sport nicht. Glück ist nur ein anderes Wort
für das Resultat von harter Arbeit.»
Glücklich ist natürlich auch Röhle, weil er weiß,
dass Spandau in der nächsten Champions-League-Saison
wieder einen Schritt auf dem Weg zurück in die europäische
Spitze machen kann. Glücklich ist Bundestrainer Hagen
Stamm, der mit den Berlinern und den Hannoveranern nächste
Woche zur EM nach Budapest fährt. Glücklich auch, weil
Stamm als Spandaus Präsident weiß, dass der
Hauptsponsor um ein Jahr verlängert hat und Verstärkung
durch den jugoslawischen Junioren-Nationalspieler Marco
Savic in Sicht ist.
«Ihr macht den Bayern wohl alles nach», sagt ein
Wasserfreund zu Stamm später am Tresen und wischt sich
den Bierschaum von den Lippen. «Nee», grinst darauf
Hagen Stamm, «wir machen denen was vor. So oft wie wir
werden die nie Deutscher Meister.»
Berliner
Morgenpost 4.6.2001
Entscheidung im
fünften Spiel durch Viermeter in der Verlängerung
Spandaus Meisterserie hält Hannover glaubt an Verschwörung
VON STANLEY SCHMIDT
BERLIN. Die Serie hat gehalten: In 23 Jahren hat Spandau
04 zum 22. Mal die deutsche Wasserball-Meisterschaft
gewonnen, aber nie war der Sieg so umkämpft. Die meisten
der 250 Anhänger von Waspo Hannover, die am Sonntag zum
fünften Play-off-Spiel angereist waren, und vor allem
die enttäuschten hannoverschen Spieler waren davon überzeugt,
daß diesmal die Schiedsrichter einen deutlichen Anteil
am Sieg des etablierten Rekordmeisters in diesem
Wasserball-Drama hatten. An einem Viermeter in der Verlängerung
wurden geradezu Verschwörungstheorien festgemacht: In
seinem letzten Spiel für Spandau erzielte der Däne
Lasse Norbaek den entscheidenden Treffer zum 9:8 Endstand.
"Der Ball flog doch viel zu hoch. Da wäre doch nie
ein Spandauer an das Zuspiel herangekommen", haderte
der routinierte Lars Tomanek mit den Schiedsrichtern.
Waspo- Trainer Bernd Seidensticker, dessen kalkulierte
Ausbrüche nicht wenige Unparteiische in den ersten
Finalspielen verunsichert hatten, sah hinter der
Entscheidung ein System: "In der Endphase erst Stürmerfoul,
dann Hinausstellung, dann Viermeter, das ist doch sehr
durchsichtig." Allerdings weist das
Hinausstellungsverhältnis von 8:8 in fremder Halle nicht
auf einseitiges Pfeifen hin.
Daß dieses fünfte Spiel der Best-of-five-Serie noch so
spannend wurde, hatte zwei Gründe: Spandaus plötzliche
Zaghaftigkeit und Waspos nie erlahmenden Kampfgeist. Den
hatten die Niedersachsen bereits bewiesen, als sie überraschend
in Berlin das dritte Finalspiel mit 10:7 gewannen. Als es
ihnen dann noch im heimischen Limmer-Freibad gelang, mit
einem 6:5 nach Verlängerung in der Gesamtwertung
auszugleichen, stand Spandau schwer unter Druck. Lasse
Norbaek hatte nach der heißen Schlacht im kalten Wasser,
die eigentlich seine letzte sein sollte, wie ein Überlebender
des Titanic-Untergangs ausgesehen. Deutschlands Torhüter
Nummer eins, Alexander Tchigir, hatte sich schon vorher
aufs Trockene begeben. Wadenkrämpfe zwangen ihn zur
Aufgabe.
Aber auch im behaglich geheizten Schöneberger Becken
streikte schon beim Warmmachen aus unerfindlichen Gründen
die Muskulatur. "Eine Muskelentzündung",
vermutete Tchigir, der ebenso zum Zuschauen verurteilt
war wie der im dritten Spiel verletzte Kapitän Patrick
Weissinger. Zum Glück für Spandau hatte der zweite Torhüter,
Igor Uchal, einen guten Tag. Die doch etwas nervösen und
vielleicht übermotivierten Hannoveraner scheiterten
anfangs oft an ihm, während der Gastgeber so spielte,
als sei der 22. Titelgewinn nur noch Formsache. 7:3 führte
der Titelverteidiger kurz vor Ende des dritten Viertels.
was sollte da noch schiefgehen? Alles ging schief.
Schnelle Ballverluste, präzise Würfe von Waspo, bei
denen Sven Reinhardt viermal traf. Der mußte zwar nach
einer Entgleisung in Richtung Schiedsrichter das Wasser
verlassen, während der permanent protestierende Trainer
Seidensticker auf die Tribüne geschickt wurde. Doch auch
so erreichten die hochmotivierten Gäste den 8:8-
Ausgleich. Der 22jährige Nationalspieler Sören Mackeben
schaffte ihn fünf Sekunden vor der Schlußsirene.
Die Spandauer waren fassungslos. Verlängerung also.
Niemand war zu diesem Zeitpunkt von irgendeinem Gesetz
der Serie überzeugt. Schon gar nicht Spandaus Trainer
Peter Röhle. Der bekannte, nach der letzten Niederlage
erstmals in seinem Leben an Schlafstörungen gelitten zu
haben. "Die Probleme im letzten Viertel hätten uns
den Titel kosten können", stellte er nach dem glücklichen
Ende nüchtern fest, ehe er mit seiner Mannschaft zur
schon einmal verschobenen Meisterfeier in das Grunewalder
Lokal "Die Scheune" aufbrach. Damit hatte Röhle
seinen vierten Titel als Trainer eingefahren.
Für den "Honorarbundestrainer" Hagen Stamm,
gleichzeitig Präsident von Spandau 04, war das Duell
seiner Mannschaft mit den Waspo- Nationalspielern ein
Drahtseilakt. Die Stimmung war schon vorher etwas getrübt,
als mit Arne Hartmann und Sven Reinhardt zwei
Hannoveraner für die in zwei Wochen beginnende
Europameisterschaft in Budapest wegen
Studienverpflichtungen abgesagt hatten. Plötzlich drohte
auch, unterstützt von seinem Trainer, der in glänzender
Form befindliche Marc Pollitze mit einem EM-Verzicht,
weil die Klausurtermine ungünstig lägen. Ein leiser
Boykott? Der 1,96 Meter große Scharfschütze, Student
der Betriebswirtschaftslehre, beruft sich auf zugesagte
Unterstützungsmaßnahmen beim Kulturministerium. Hagen
Stamm bemüht sich um eine Verlegung der Klausuren, wäre
aber auch mit einer verspäteten Anreise einverstanden.
Zu wichtig ist Pollitze für den angestrebten achten EM-Platz,
wobei es keine Rolle spielt, daß er mit der Tochter des
Bundestrainers befreundet ist. Die Wasserballer sind eben
eine große Familie, auch wenn das bei der wohl
spannendsten Meisterschaft der deutschen
Wasserballgeschichte nicht immer so aussah.
(5. Juni
2001, Frankfurter Allgemeine Zeitung)
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