Wasserfreunde Spandau 04 - Waspo Hannover-Linden Berlin

9

:

8 n. Verlängerung

Finale Sonntag, 03. Juni 2001

in der Schöneberger Schwimmsporthalle

Lasse Noerbaek wurde in seinem letzten Spiel zum Matchwinner

 

22. Titel für Spandau in einem Herzschlagfinale

Berlin (dpa) - Die Wasserfreunde Spandau 04 sind zum 22. Mal deutscher Wasserball-Meister der Männer. In einem dramatischen Finale besiegten die Berliner in der Schwimmhalle Schöneberg im fünften Spiel der Finalserie nach dem Modus «best of five» Waspo Hannover nach Verlängerung mit 9:8 (3:1, 1:2, 3:1, 1:4; 1:0, 0:0) und ließen sich anschließend von den gut 750 Zuschauern ausgiebig feiern.
Die Begegnung hatte nach dem 2:2-Zwischenstand - Spandau hatte die ersten Begegnungen mit 5:3 und 5:2 gewonnen, Hannover dann mit 10:7- und 6:5-Erfolgen ausgeglichen - vom Anpfiff an einen typischen Finalcharakter, wobei immer wieder Gastgeber Spandau in Führung ging und Hannover mit viel Kampfgeist und einem überragenden Vollender Sven Reinhardt verkürzen konnte. Auch zwei Drei-Tore-Vorsprünge zum 4:1 und dann zum 7:4 zu Beginn des vierten Spielabschnitts nutzten dem Titelverteidiger nichts. Hannover glich zum Ende der offiziellen Spielzeit zum 8:8 aus.
Erst in der Verlängerung schaffte Lasse Noerbaek, der damit sein letztes Spiel für Spandau bestritt, einen Vier-Meter-Strafwurf zum entscheidenden 9:8-Endstand. Die Torschützen der Berliner waren Lasse Noerbaek (3), Alexander Elke (2), Slawomir Andruskiewicz, Rene Grotzki, Thomas Schertwitis und Jens Pohlmann (je 1). Für Hannover trafen Sven Reinhardt (4), Marc Pollitze (2), Arne Hartmann und Sören Mackeben (je 1).

(3. Juni 2001)

Dramatik im letzten Finalspiel

Sektfontänen im Bassin, der Trainer flog ins kühle Nass: Nach dem Gewinn des 22. Meistertitels durch die Wasserfreunde Spandau 04 brachen in der Schöneberger Schwimmhalle alle Dämme. Mit dem achten Meistertitel in Serie erkämpften die Berliner nach einer dramatischen Finalserie ihren insgesamt 50. nationalen Titel. Neben ihren 22 Titeln können die Spandauer auf 19 Pokalsiege und 9 Supercups verweisen.
An allen Erfolgen war Peter Röhle beteiligt, bis 1997 als Torwart, ab 1998 als Trainer. "Doch an ein solch spannendes Finale wie diesmal kann ich mich nicht erinnern", meinte der 44-Jährige, als er klitschnass aus dem Becken kletterte. Erst nach der Verlängerung des letzten Spiels im Modus "best of five" zwischen Spandau 04 und Waspo Hannover stand der Sieger fest. Den anfänglichen Erfolgen des Titelverteidigers (5:3 und 5:2) ließ Waspo zwei Siege (10:7 und 6:5) folgen. Im Entscheidungsmatch führten die Berliner schon mit 7:3, doch Hannover schaffte fünf Sekunden vor dem Abpfiff noch das 8:8 und damit den Sprung in die Verlängerung, in der dann der frühere Däne Lasse Noerbaek das goldene Tor erzielte.
"Unsere wichtigsten Saisonziele haben wir erreicht", bilanzierte der Spandau-Coach, "doch leider nicht alle." Meistertitel, Supercup- Gewinn und Erreichen der Champions League sieht er auf der Habenseite. "Wir wollten aber in der Chamions League bis ins Halbfinale vorstoßen, das ist uns nicht gelungen", vermerkte er. Im Gegensatz zu Europas Spitzenteams, die zumeist unter Profi- Bedingungen trainieren, hätten die deutschen Vereine nur Amateurniveau. "Und wenn dann in einer harten Phase mit Ligaspielen, Pokal und Auswahleinsätzen auch noch die Duelle in der Champions League zu bestreiten sind, dann treten physische und psychische Defizite auf", so Röhle.
Ob der Meisterschafts-Modus die optimale Lösung sei, ist sich der Spandauer nicht sicher. "Wir sind innerhalb weniger Wochen im Halbfinale und dann in den Endspielen siebenmal auf Hannover getroffen. Das ist vielleicht ein wenig zu viel des Guten. Vor allem für die Zuschauer."
Die Wasserfreunde Spandau 04 werden nun ihre Mannschaft umstellen müssen. Noerbaek beendet seine Laufbahn, Nachwuchstalent Timo Purschke wechselt zum ASC Duisburg. Mit Nationalspieler Christian Ingelath aus Hamm konnte Röhle bereits eine erste Neuverpflichtung bekannt geben. "Und wir sind zudem in Ungarn und in Jugoslawien in ersten Verhandlungen", sagte Röhle. "Denn wenn wir uns nicht entscheidend verstärken, werden wir auch im kommenden Jahr im europäischen Maßstab nur eine mittelmäßige Rolle spielen."

(dpa Berlin 4.6.2001)

Nach unglücklichem Aus fließen die Tränen

VON GERD KUJATH

Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Der Eindruck, den dieses Zitat vermittelt, drängte sich am Pfingstsonntag nicht nur den 300 Schlachtenbummlern von Waspo Hannover auf. Von denen weinten etliche nach der überaus unglücklichen 8:9 (1:3, 2:1, 1:3, 4:1; 0:1)-Niederlage nach Verlängerung ihrer Mannschaft im entscheidenden 5. Finalspiel um die deutsche Wasserballmeisterschaft bei Spandau 04. Selbst neutrale Beobachter wunderten sich über zwei Schiedsrichterentscheidungen von ausschlaggebendem Charakter.
Da hatte Sven Reinhardt mit seiner besten Leistung seit zwei Jahren die Lindener nach einem 1:4- und 3:7-Rückstand auf 6:8 herangebracht, als ihn der Esslinger Referee Ulrich Spiegel im Schlussviertel wegen Reklamierens aus dem Wasser verbannte. Vorausgegangen war ein Abwurf von Torwart Michael Zellmer, den Spiegel an der Beckenwand gesehen haben wollte, bevor ihn Reinhardt aufnahm. "Auch in einem Hallenbad mit Steinbegrenzungen sind Seitenleinen vorgeschrieben, die hier regelwidrig nicht installiert waren", kommentierte Helmut Rode, niedersächsischer Wasserballwart, als objektiver Zuschauer diese umstrittene Aktion.
Doch Waspo glaubte weiter an sich. Schien Arne Hartmanns Anschlusstreffer in der letzten Minute der regulären Spielzeit nur Ergebniskosmetik zu bedeuten, gelang den Lindenern danach ein wahrer Geniestreich. Fünf Sekunden vor der Sirene bediente Marc Politze Sören Mackeben, der das scheinbar Unmögliche erzwang. Dass in der anschließenden Verlängerung Spandaus Jens Pohlmann, obwohl im Zweimeter-Abseits schwimmend, auch noch einen Viermeter-Strafwurf erhielt, den Lasse Noerbaek zum Siegtreffer und 22. Titelgewinn nutzte, "hat mich arg verblüfft", meinte Rode.
Auf Hagen Stamm, der sich in den Play-offs eindeutig mehr als Spandauer fühlte, deren Präsident er ist, als Bundestrainer wartet eine schwere Aufgabe. Zum Aufgebot der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft vom 15. bis 24. Juni in Budapest zählen nämlich nicht nur Berliner Spieler, sondern auch die Waspo-Akteure Michael Zellmer, Sören Mackeben, Marc Politze und der nach starken Leistungen nachnominierte Daniele Polverino. Reinhardt, den Stamm entgegen seinen vorherigen Aussagen auch noch integrieren wollte, sagte nicht aus Enttäuschung, sondern aus Examensgründen ab.

Tore für Waspo: Sven Reinhardt (4), Marc Politze (2), Arne Hartmann, Sören Mackeben.

(Hannoversche Allgemeine Zeitung 4.6.2001)

Nur Vizemeister - Waspo tanzt trotzdem

VON STEFAN DINSE

Waspo hat das dramatische fünfte Endspiel bei Spandau 04 nach Verlängerung verloren.
Es war das spannendste Finale aller Zeiten, da waren sich beide Trainer einig. Waspo unterlag trotz furioser Aufholjagd durch einen strittigen Strafwurf 8:9 (2:3, 2:1, 1:3, 4:1, 0:1). "Wir sind moralischer Sieger, meine Spieler sind die Größten", sagte Coach Bernd Seidensticker stolz.
Im Fössebad gab es abends für 200 Fans Freibier. Seidensticker tanzte auf dem Tisch. "Vizemeister, trotzdem Stimmung - das sind wir!", sangen die Lindener unentwegt.
Mit zwei Bussen waren Waspos Schlachtenbummler angereist, lieferten 350 Berliner Anhängern in der Schöneberger Schwimmhalle einen musikalischen Kampf. "Wir konnten unsere eigenen Worte nicht verstehen", meinte Seidensticker.
Das 1:0 erzielte Waspos Bester: Sven Reinhardt. Der 27-Jährige gab nie auf, warf vier Tore und brachte Linden wieder zurück ins Spiel. Denn Spandau, geführt vom starken Kapitän Lasse Norbaeck, zog auf 4:1 davon. Waspo traf nicht, Berlins Getreue sangen schon vom 22. Titel. Reinhardt und Marc Politze schafften den Anschluss.
Aber dann hatte Berlin die stärkste Phase. Hohes Tempo und knallharte Pressdeckung ließ Waspo wie Verlierer aussehen. 7:3 lag der Rekordmeister vorn, Thomas Schertwitis sprang bei seiner Auswechslung mit Salto ins Becken. Doch anschließend überschlugen sich die Ereignisse.
Tore von Reinhardt und Politze ließen Waspo zum zweiten Mal auferstehen, ehe Spandau wieder traf. Danach verlor Reinhardt die Nerven: Ein Abwurf Zellmers sollte den Beckenrand berührt haben, der Schiedsrichter erkannte Freiwurf für Spandau. "Ich wäre ihm fast an die Wäsche gegangen", so Reinhardt. Er sah wegen Beleidigung Rot, durfte aber ersetzt werden.
Arne Hartmann erzielte den Anschluss, Sören Mackeben fünf Sekunden vor Schluss per Konter den Ausgleich. "Kompliment an Waspo, wie sie das geschafft haben", sagte Spandaus Trainer Peter Röhle. In der Verlängerung bekam Berlin den spielentscheidenden Strafwurf, der wegen Abseits keiner war.

(Neue Presse 4. Juni 2001)

Titel Nummer 22 im Finale furioso
In der Verlängerung des fünften Play-off-Spiels gewinnt Spandau 04 die Meisterschaft


Klaus Weise

BERLIN, 4. Juni. Alles drin, alles dabei. Eine bessere Werbung für die nicht eben medienverwöhnte Sportart Wasserball als das Play-off-Finale zwischen Serien-Champion Wasserfreunde Spandau 04 und Herausforderer Waspo Hannover hätte man sich kaum vorstellen können. 2:2 stand es nach vier Partien der Best-of-five-Serie, in der der Titelverteidiger schon 2:0 vorne lag und dann die Niedersachsen überraschend zurückschlugen.
So gesehen waren sie vor dem Schlussakt am Pfingstsonntag in der Schöneberger Schwimmhalle trotz des Berliner Heimvorteils wohl psychologisch sogar leicht im Vorteil. Zumal Spandaus herausragender Torwart Alexander Tchigir fußverletzt ausfiel und Ersatzkeeper Igor Uchal in den Kasten musste. "Normalerweise musste man das als eine Schwächung ansehen", meinte Wasserfreunde-Präsident Hagen Stamm. Normalerweise.

Die Gala von Igor Uchal

Aber was war schon normal in diesem emotionalen Duell, in dem die zahlreichen Niedersachsen-Fans - fast die Hälfte der 750 Zuschauer - auf der Tribüne plakativ bekundeten "... und jetzt macht Waspo den Sack zu!" Da ging Hannover nach anderthalb Minuten 1:0 in Führung, doch gleich danach begann die Uchal-Gala. Mit mehreren Glanzparaden hielt er sein Team im Spiel. Auf 4:1 zogen die Spandauer eingangs des zweiten Spielabschnitts davon, gar 7:3 stand es kurz vor Ende des dritten Viertels. Einige Heim-Fans drehten schon am Draht der Sektflaschen. Zu früh.
Hannover spielte alles oder nichts, kam auf 6:7 heran, steckte auch die erneute Spandauer Zwei-Tore-Führung weg. 38,7 Sekunden vor Ultimo fiel das 7:8, nur 5,1 Sekunden vor dem Ende der Ausgleich: Verlängerung von zweimal drei Minuten. In der brachte ein Vier-Meter-Strafwurf die 9:8-Entscheidung zu Gunsten von Spandau 04. Verwandelt hat den titelwürdigen Wurf Lasse Norbaek, der nach zehn Jahren sein letztes Spiel für Spandau bestritt. "Heute war es der unbedingte Siegeswille, der uns am Leben gehalten hat", meinte der gebürtige Däne hinterher.
Meisterschaft Nummer 22 seit 1979 war zweifellos eine der am schwersten errungenen für die Berliner. Erstmals wurde der Titel nach Best-of-five-Modus vergeben. "Das hat unglaublich an den Kräften gezehrt. Ich bin fix und alle, aber ich glaube, dass der deutsche Wasserball so etwas braucht, wenn er wieder nach oben kommen will", sagt Auswahlspieler Jens Pohlmann. Oben, das ist da, wo Spandau 04 national seit mehr als zwei Jahrzehnten ist. Oben bleiben und auch international Boden gutmachen, das wird in der kommenden Saison aber keinesfalls leichter.
Verstärkung ist nötig

Denn neben Norbaek fehlen dann auch Center-Talent Timo Purschke (wechselt nach Duisburg) und Holger Jochem (hört aus beruflichen Gründen auf). "Wir haben zwar eine Reihe guter junger Leute, die im Finale ihre großen Fortschritte bestätigt haben, aber Fakt ist, dass wir uns verstärken müssen", ist Pohlmann überzeugt.
Auch Meister-Coach Peter Röhle, seit 1979 - zunächst als Torwart, dann ab 1997 als Trainer - bei allen Titelgewinnen dabei, weiß, "dass wir auf dem jetzigen Niveau stecken bleiben, wenn sich nichts tut". In Deutschland souverän, in der Champions League (noch) nicht ernsthaft konkurrenzfähig - das ist die Bilanz des Jahres. Für die neue Saison ist deshalb die Verpflichtung neuen Personals geplant oder schon vollzogen. Letzteres gilt für Nationalspieler Christian Ingelath (Rote Erde Hamm), ersteres für die Verhandlungen mit Akteuren von Ungarns Champion Budapest und Jugoslawiens Meister Becej. Und die werden, da ist sich Hagen Stamm sicher, "natürlich dadurch erleichtert, dass wir nun Champions League spielen".

Kommentar - Berliner Tagesspiegel
Nur nicht zu Tode siegen

Markus Hesselmann

Wie war das doch gleich? Ins Stadion gehen die Leute, weil sie nicht wissen, wie das Spiel ausgeht. So oder so ähnlich lautet eines dieser weisen Worte zum Sport. Die Wirklichkeit ist ganz anders. Fußball? Da gewinnen am Ende immer die Bayern. Basketball? Wo Alba ist, ist vorne. Recherchieren wir weiter, vielleicht mal bei einer Randsportart: Wasserball! Da muss es irgendjemand mal bei Strafe verboten haben, dass der Deutsche Meister zum Schluss der Saison nicht Wasserfreunde Spandau 04 heißt. Schade nur, dass das dann irgendwann niemanden mehr interessiert. Die Wasserfreunde waren in Berlin mal eine große Nummer mit vierstelligen Zuschauerzahlen und viel Präsenz im Fernsehen. Dann haben sie sich zu Tode gesiegt. Jetzt holten sich die Spandauer zum 22. Mal den Titel - und kaum einer guckt hin. Auf höherem Niveau droht Albas Basketballern Ähnliches. Am Wochenende schlugen sie das zweitbeste deutsche Team, Telekom Bonn, mit 36 Punkten Unterschied. Noch eine Zahl war bemerkenswert: Mit 7530 Zuschauern war die Max-Schmeling-Halle nicht ausverkauft. Zur Erinnerung: Dieses Spiel war das erste Finalspiel um die Deutsche Meisterschaft. Für die Spandauer war die Titelentscheidung diesmal eng. Es klingt paradox, doch das muss sie freuen. Vielleicht beleben ja mal eine ehrenvoll verpasste Meisterschaft und ein neuer Angriff das Interesse. Und Alba? Da hofft man im Stillen auf den Aufschwung im Westen. Ein großer Gegner muss her, wie damals, als man sich mit Leverkusen maß, den Riesen vom Rhein. In Köln gibt es entsprechende Pläne. Folgerichtig kommt das Know-how aus Berlin: Manager der Cologne 99ers ist Albas früherer Spieler Stefan Baeck. Als Trainer im Gespräch: Albas alter Meistermacher Svetislav Pesic.

Spandauer Bayern 22. Deutsche Meisterschaft für die Wasserfreunde - aber noch nie war es so knapp, nie so spannend

Von Torsten Wendlandt

Berlin - Es ist doch jedes Jahr dasselbe mit den Wasserfreunden, könnte man meinen. Am Ende gehört Wasserball-Deutschland sowieso ihnen. Das ist fast so wie mit den Fußball-Bayern, aber natürlich nur fast.
Ganz praktisch ist es zwar schon, dass die Konkurrenz immer heftiger strampelt, sonst verkäme die Meisterschaft zum Langweiler. Aber am Ende, bitte sehr, gewinnt der Rekordmeister, der stets Gejagte, der scheinbar Unsinkbare.
Eine Serie für die Ewigkeit ist nach der 9:8 (3:1, 1:2, 3:1, 1:4/1:0, 0:0)-Wasserschlacht (mit Verlängerung) beim fünften und entscheidenden Play-off-Finalspiels gegen Waspo Hannover - dem besten Verlierer aller Zeiten - noch ewiger geworden. Den 22. Meistertitel seit 1979 (nur 1993 durfte Hannover jubeln) haben die Spandauer Männer aus dem Wasser gefischt, die 50. nationale Trophäe (mit 19 Pokalsiegen und neun Supercup-Erfolgen) geholt, den 56. nationalen und internationalen Titel (mit vier Europapokal- und zwei Supercup-Siegen) perfekt gemacht.
Aber so knapp, so spannend und so dramatisch war es noch nie.
Und das kam so: Nach 2:0-Siegen schien die Sache für die Wasserfreunde gelaufen, der Wirt der Grunewalder «Scheune» hatte schon angezapft. Dann jedoch riss im dritten Match in Berlin der Muskel von Kapitän Patrick Weissinger und damit der Erfolgsfaden. Auswahltorwart Alexander Tchigir verletzte sich schließlich im kalten und ungewohnten Freiwasser von Hannover. Die totgesagten Niedersachsen glichen zum 2:2 aus.
Im letzten Gefecht schließlich, als 700 Fans trommelten bis der Putz von der Decke der Schöneberger Schwimmhalle rieselte, lag Spandau im dritten Viertel schon 7:3 vorn. Doch Waspo, angetrieben vom cholerisch veranlagten Trainer Bernd Seidensticker (der wie jedes Jahr wütend Kegel vom Beckenrand ins Wasser kickte, die Schiedsrichter beschimpfte und erst kurz vor dem Ende Rot sah) kam mit großer Moral zurück. Auch weil Spandau Fehler machte, die fast zum Verhängnis wurden: Beim Stand von 8:6 warf man zu früh, kassierte das Kontertor zum 8:7 und nach einem Fehlpass von Rene Grotzky fiel ganze fünf Sekunden vor der Schlusssirene der schmerzvolle Ausgleich durch Sören Mackeben. Schulterzucken überall, Kopfschütteln, Stille.
Völlig ausgelaugt, kraftlos hingen die Berliner in der Pause vor der zweimal dreiminütigen Verlängerung auf dem Beckenrand und mancher sah schon die Felle davonschwimmen. Center-Verteidiger Alexander Elke war nach dem dritten Foul draußen, die Jungen wie Axel Kirsch wurden von Trainer Peter Röhle «ins Wasser geworfen». Aber auch Hannover hatte seinen Distanzschützen Sven Reinhardt (drei Tore) inzwischen eingebüßt.
Und dann, mit der Angst vor dem drohenden Untergang, holten die Wasserfreunde doch noch zum letzten Schlag aus. Nach 90 Sekunden der Krimi-Verlängerung foulte Mackeben Jens Pohlmann - vier-Meter-Strafwurf. Ausgerechnet Lasse Noerbaek (drei Treffer) machte das letzte Tor in seinem letzten Spiel nach zehn Spandauer Jahren.
Und dann erst war wieder alles wie jedes Jahr: Röhle fliegt ins Becken, ein Freudenknäuel von Spielern hinterher, die Sektflasche kreist übers Chlorwasser, Badekappen fliegen durch die Luft. Das Glück ist perfekt. «Glück», sagt Center Thomas Schertwitis allerdings später, «gibt es im Sport nicht. Glück ist nur ein anderes Wort für das Resultat von harter Arbeit.»
Glücklich ist natürlich auch Röhle, weil er weiß, dass Spandau in der nächsten Champions-League-Saison wieder einen Schritt auf dem Weg zurück in die europäische Spitze machen kann. Glücklich ist Bundestrainer Hagen Stamm, der mit den Berlinern und den Hannoveranern nächste Woche zur EM nach Budapest fährt. Glücklich auch, weil Stamm als Spandaus Präsident weiß, dass der Hauptsponsor um ein Jahr verlängert hat und Verstärkung durch den jugoslawischen Junioren-Nationalspieler Marco Savic in Sicht ist.
«Ihr macht den Bayern wohl alles nach», sagt ein Wasserfreund zu Stamm später am Tresen und wischt sich den Bierschaum von den Lippen. «Nee», grinst darauf Hagen Stamm, «wir machen denen was vor. So oft wie wir werden die nie Deutscher Meister.»

Berliner Morgenpost 4.6.2001

Entscheidung im fünften Spiel durch Viermeter in der Verlängerung
Spandaus Meisterserie hält Hannover glaubt an Verschwörung

VON STANLEY SCHMIDT

BERLIN. Die Serie hat gehalten: In 23 Jahren hat Spandau 04 zum 22. Mal die deutsche Wasserball-Meisterschaft gewonnen, aber nie war der Sieg so umkämpft. Die meisten der 250 Anhänger von Waspo Hannover, die am Sonntag zum fünften Play-off-Spiel angereist waren, und vor allem die enttäuschten hannoverschen Spieler waren davon überzeugt, daß diesmal die Schiedsrichter einen deutlichen Anteil am Sieg des etablierten Rekordmeisters in diesem Wasserball-Drama hatten. An einem Viermeter in der Verlängerung wurden geradezu Verschwörungstheorien festgemacht: In seinem letzten Spiel für Spandau erzielte der Däne Lasse Norbaek den entscheidenden Treffer zum 9:8 Endstand. "Der Ball flog doch viel zu hoch. Da wäre doch nie ein Spandauer an das Zuspiel herangekommen", haderte der routinierte Lars Tomanek mit den Schiedsrichtern. Waspo- Trainer Bernd Seidensticker, dessen kalkulierte Ausbrüche nicht wenige Unparteiische in den ersten Finalspielen verunsichert hatten, sah hinter der Entscheidung ein System: "In der Endphase erst Stürmerfoul, dann Hinausstellung, dann Viermeter, das ist doch sehr durchsichtig." Allerdings weist das Hinausstellungsverhältnis von 8:8 in fremder Halle nicht auf einseitiges Pfeifen hin.
Daß dieses fünfte Spiel der Best-of-five-Serie noch so spannend wurde, hatte zwei Gründe: Spandaus plötzliche Zaghaftigkeit und Waspos nie erlahmenden Kampfgeist. Den hatten die Niedersachsen bereits bewiesen, als sie überraschend in Berlin das dritte Finalspiel mit 10:7 gewannen. Als es ihnen dann noch im heimischen Limmer-Freibad gelang, mit einem 6:5 nach Verlängerung in der Gesamtwertung auszugleichen, stand Spandau schwer unter Druck. Lasse Norbaek hatte nach der heißen Schlacht im kalten Wasser, die eigentlich seine letzte sein sollte, wie ein Überlebender des Titanic-Untergangs ausgesehen. Deutschlands Torhüter Nummer eins, Alexander Tchigir, hatte sich schon vorher aufs Trockene begeben. Wadenkrämpfe zwangen ihn zur Aufgabe.
Aber auch im behaglich geheizten Schöneberger Becken streikte schon beim Warmmachen aus unerfindlichen Gründen die Muskulatur. "Eine Muskelentzündung", vermutete Tchigir, der ebenso zum Zuschauen verurteilt war wie der im dritten Spiel verletzte Kapitän Patrick Weissinger. Zum Glück für Spandau hatte der zweite Torhüter, Igor Uchal, einen guten Tag. Die doch etwas nervösen und vielleicht übermotivierten Hannoveraner scheiterten anfangs oft an ihm, während der Gastgeber so spielte, als sei der 22. Titelgewinn nur noch Formsache. 7:3 führte der Titelverteidiger kurz vor Ende des dritten Viertels. was sollte da noch schiefgehen? Alles ging schief. Schnelle Ballverluste, präzise Würfe von Waspo, bei denen Sven Reinhardt viermal traf. Der mußte zwar nach einer Entgleisung in Richtung Schiedsrichter das Wasser verlassen, während der permanent protestierende Trainer Seidensticker auf die Tribüne geschickt wurde. Doch auch so erreichten die hochmotivierten Gäste den 8:8- Ausgleich. Der 22jährige Nationalspieler Sören Mackeben schaffte ihn fünf Sekunden vor der Schlußsirene.
Die Spandauer waren fassungslos. Verlängerung also. Niemand war zu diesem Zeitpunkt von irgendeinem Gesetz der Serie überzeugt. Schon gar nicht Spandaus Trainer Peter Röhle. Der bekannte, nach der letzten Niederlage erstmals in seinem Leben an Schlafstörungen gelitten zu haben. "Die Probleme im letzten Viertel hätten uns den Titel kosten können", stellte er nach dem glücklichen Ende nüchtern fest, ehe er mit seiner Mannschaft zur schon einmal verschobenen Meisterfeier in das Grunewalder Lokal "Die Scheune" aufbrach. Damit hatte Röhle seinen vierten Titel als Trainer eingefahren.
Für den "Honorarbundestrainer" Hagen Stamm, gleichzeitig Präsident von Spandau 04, war das Duell seiner Mannschaft mit den Waspo- Nationalspielern ein Drahtseilakt. Die Stimmung war schon vorher etwas getrübt, als mit Arne Hartmann und Sven Reinhardt zwei Hannoveraner für die in zwei Wochen beginnende Europameisterschaft in Budapest wegen Studienverpflichtungen abgesagt hatten. Plötzlich drohte auch, unterstützt von seinem Trainer, der in glänzender Form befindliche Marc Pollitze mit einem EM-Verzicht, weil die Klausurtermine ungünstig lägen. Ein leiser Boykott? Der 1,96 Meter große Scharfschütze, Student der Betriebswirtschaftslehre, beruft sich auf zugesagte Unterstützungsmaßnahmen beim Kulturministerium. Hagen Stamm bemüht sich um eine Verlegung der Klausuren, wäre aber auch mit einer verspäteten Anreise einverstanden. Zu wichtig ist Pollitze für den angestrebten achten EM-Platz, wobei es keine Rolle spielt, daß er mit der Tochter des Bundestrainers befreundet ist. Die Wasserballer sind eben eine große Familie, auch wenn das bei der wohl spannendsten Meisterschaft der deutschen Wasserballgeschichte nicht immer so aussah.

(5. Juni 2001, Frankfurter Allgemeine Zeitung)


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