Wasserball: Cannstatt gelingt der große Coup nicht - 4:9-Niederlage im Pokalfinale vor 700 Zuschauern - Röhle geht baden - Thiedkes Frust SVC kann Spandau noch nicht das Wasser reichen

Von Hannes Kern

Stuttgart - Peter Röhle wehrte sich lange, am Ende landete er doch im Wasser. Der Trainer der WF Spandau 04 kennt die Prozedur zur Genüge. Der Seriensieger aus Berlin gewann vor 700 Zuschauern im Untertürkheimer Inselbad zum 19. Mal den deutschen Wasserball-Pokal, es war der 55. Titel in der Vereinsgeschichte. Der SV Cannstatt kann Spandau noch nicht das Wasser reichen und ging im Finale mit 4:9 (0:2, 2:3, 1:2, 1:2) unter.

Während Röhle das Bad des Siegers sichtlich genoss, schimpfte sein Cannstatter Kollege Henry Thiedke wie ein Rohrspatz über die Schiedsrichterleistungen. Eine im Wasserball weit verbreitete (Un-)Sitte. "Da hat sich bei mir der Frust entladen", gestand Thiedke ein, als er sich wieder etwas beruhigt hatte.

Wieso Frust? Eigentlich können die Cannstatter mit dem zweiten Platz hoch zufrieden sein. Wenn Spandau Meister wird - und wer zweifelt ernsthaft daran? - ist der SVC im Europapokal der Pokalsieger vertreten. "Für mich ist dieser zweite Platz der größte Erfolg in meiner Karriere", jubelte Kapitän Jürgen Rüdt. Auch Steffen Dierolf war nach der ersten Enttäuschung, den ganz großen Coup verpasst zu haben, zufrieden. "Wenn uns einer vor der Saison gesagt hätte, dass wir bis ins Pokalfinale kommen, hätte ich ihn für verrückt erklärt ", sagte der Nationalspieler.

Thiedkes Enttäuschung lässt sich einfach erklären. Der ehrgeizige Trainer, der mit dem SVC einmal Deutscher Meister werden will, musste erkennen, dass seine Mannschaft trotz der spektakulären Erfolge in dieser Saison noch ein gutes Stück von den Spandauern entfernt ist. Die Bäume wachsen doch nicht so schnell in den Himmel. "Vielleicht ist es ganz gut, dass wir mal verloren haben ", rang Dierolf der Niederlage eine positive Seite ab.

"Das Ergebnis hätte enger ausfallen können", grummelte Thiedke. Das hätte geklappt, wenn die Cannstatter besser aus den Startlöchern gekommen wären. Doch der SVC begann zu nervös. "Wir haben zu Beginn lasch gespielt und nichts probiert", meinte Dierolf. Was zur Folge hatte, dass Spandau nach zehn Minuten mit 4:0 vorne lag. Logisch, dass sich im Cannstatter Lager der Frust breit machte, zumal die Spandauer ein gnadenloses Pressing spielten und die Cannstatter Angriffe im Keim ertränkten. Es spricht jedoch für das Thiedke-Team, dass es trotz der davon schwimmenden Felle nicht aufgab und das Ergebnis noch einigermaßen freundlich gestaltete. "Die Mannschaft hat gekämpft bis zum Schluss", hatte sich am Ende bei Thiedke der Frust dann doch gelegt.

Im Halbfinale hatten die Berliner gegen SC Rote Erde Hamm mit 7:3 gewonnen. Cannstatt war durch ein 9:7 nach Verlängerung gegen Waspo Hannover-Linden ins Finale eingezogen. Im Spiel um Platz drei behielt Hamm mit 6:5 gegen Hannover-Linden die Oberhand.

SV Cannstatt: Ukhal; Rüdt, Aldinger, Ambrus (1), Golla (1), Roth, Halapi (1), Strohm, Zielke, Pirija, Müller, Lehmann, Dierolf (1).

WF Spandau 04: Tchigir, Ukhal; Andruskiewicz, Kirsch, Norbaeck (1), Gritzki, Elke, Scherwitis (1), Schlotterbeck (1), Weissinger (3), Jochem, Wieder, Pohlmann (3).

18.02.2001

Deutscher Wasserballpokal

Einhändiger Torwart und Pokal mit Beule
Veredelter Sieg für Wasserfreunde

Hartmut Moheit

Schadlos hat der deutsche Wasserballpokal die 48 Stunden zwischen Berlin, Stuttgart und Berlin nicht überstanden. Eine dicke Beule ziert den Topf mit den zwei Henkeln, obwohl Andreas Schlotterbeck schwört, ein guter Bewacher gewesen zu sein. Ihm war die Ehre zuteil geworden, das kostbare Stück für die Wasserfreunde Spandau 04 zur Cup-Endrunde nach Untertürkheim zu transportieren. Und zum 19. Mal, nach dem 9:4-Endspielerfolg gegen den gastgebenden SV Cannstatt, wieder einzupacken. Die Wasserball-Trophäe ist nun wieder in der Charlottenburger Chaussee beim Sponsor McDonalds zu besichtigen, mit neuer Gravur und zusätzlicher Veredelung.

Diese Beule wird in Zukunft daran erinnern, auf welch kuriose Weise der Favorit aus Berlin den 55. Titel in seiner Vereinsgeschichte erreichte. Eine Woche vor dem nächsten Spiel in der Champions-League bei Jug Dubrovnik sorgte der Weltklassetorhüter Alexander Tchigir einmal mehr für den Höhepunkt. Diesmal als Feldspieler zwischen den Pfosten, der den Ball lediglich mit einer Hand berühren durfte. So verlangt es das Reglement, wenn ein Torhüter - Igor Uchal hatte ein entsprechendes Foul begangen - herausgestellt wird und ein Feldspieler dessen Platz einnimmt. Trainer Peter Röhle schickte beim 9:4 eineinhalb Minuten vor Schluss den zuvor für Uchal ausgewechselten Tchigir als Feldspieler wieder ins Wasser, beorderte dafür einen anderen auf die Wechselbank. Mit einer blauen Badekappe gekennzeichnet nahm Tchigir wieder seinen Stammplatz im Tor ein, in der Rolle einen Feldspielers, der den Ball eben nicht mit zwei Händen berühren darf. Aber ein Mann seiner Klasse kann auch einhändig halten.

Damit war den aufstrebenden Cannstättern, die unter der Führung des ehemaligen Neuköllner Trainers Henry Thiedke nun sogar auf einen Europacup-Startplatz hoffen dürfen, vor 1200 Zuschauern auch die letzte kleine Chance genommen. Die Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Deshalb ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Cannstätter vor lauter Frust den Pokal malträtiert hat.

(Berliner Tagesspiegel 19.02.2001)

(dpa 23.12.2000)


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