Champions League-Final Four

Dragan Matutinovic-Der Matador von Neapel


VON DR. GÜNTER SCHWILL


Er ist ein wahrer Zerberus unter den besten Wasserball-Trainern in Europa, der Kroate Dragan Matutinovic. Nach Lehr- und Wanderjahren in Spanien und Frankreich hatte er jetzt mit seiner Mannschaft Posk Split ("Splitska Banka") das Final Four erreicht. In den Tagen von Neapel gelang ihm sein Meisterwerk. Zuerst besiegte er den zweifachen Champions-League-Gewinner Posillipo 7:6, dann den großen Favoriten Naftagas Becej aus Jugoslawien in einem packenden Finale mit 8:7. Zum ersten Mal in der 36jährigen Geschichte des Europacups ging der Pokal der Landesmeister an Posk Split, die Wasserball-Hochburg an der Adria.

Für Matutinovic aber ist es der zweite Europa-Cup, den er gewann. 1986 wurde er mit Mornar, den "Matrosen aus Split", Gewinner des europäischen Pokalsieger-Cups. Im anschließenden Supercup zwischen WF Spandau 04 und Mornar Split mußte Berlins Trainer Alfred Balen zuviel geben, um den Landsmann und jungen Trainerrivalen Matutinovic 10:8 niederzuhalten. Er bezahlte mit dem Leben.

Matutinovic wechselte nach Spanien, wurde schnell Coach der Nationalmannschaft, höchst erfolgreich. 1991 Vizeweltmeister in Perth, 1992 im Olympiafinale in Barcelona erst nach Verlängerung gegen Italien unterlegen. Vor aller Augen seine Rempeleien mit Landsmann Ratko Rudic, der Italien zum Sieg coachte. Im Jahr darauf bei der EM in Sheffield (Bronze) wieder diese Attacken, zuviel für die auf Etikette bedachten Spanier. Es folgten ein Zwischenspiel in Frankreich, wieder Barcelona (bei CN Montjuic), doch Impulsivität und Unbeherrschtheit blieben. Selbst in der kroatischen Meisterschaftssaison war er in diesem Jahr nach einer Attacke gegen einen Spieler von Mladost Zagreb für 10 Monate gesperrt worden. Der Gnadenausschuß korrigierte das Urteil, zum hohen Prestigegewinn des Verbandes - siehe Europacup-Endrunde in Neapel.

Mit welchem Rezept oder Geheimnis hat Matutinovic diesen Erfolg ermöglicht? Als Coach ist Dragan Matutinovic jederzeit der achte Spieler seiner Mannschaft. Konzentration und Anspannung sind ihm ins Gesicht geschrieben, er lebt jeden Spielzug mit, wenn er in seiner Coaching-Zone das Spiel verfolgt, oft wild gestikulierend, anfeuernd, korrigierend.

Gegen Posillipo wurde ihm schon nach drei Spielminuten der Centerspieler Polacik, sein slowakischer Torjäger, wegen Widerspruchs für das gesamte Spiel herausgehängt. Das kostete Nerven! Aber der Trainer hatte seine Mannschaft nicht nur physisch, sondern auch psychisch glänzend vorbereitet. Sie war in Topform. 10.000 Meter sollen seine Spieler in der Vorbereitung täglich geschwommen sein! Das Kernstück war die Abwehr. Für die aggressive Verteidigung mit dem ausgezeichnet reagierenden Torwart Rebic brauchte Matutinovic die "Launen" der Schiedsrichter nicht zu fürchten. Geradezu hilflos wirkten die Aktionen von Posillipo in der Schlußphase, es war trotz Überzahl (9/1) kein Durchkommen. Anerkennung von Ratko Rudic an den Landsmann!

Im Finale Posk Split gegen Becej hätte fast ein Spieler die Partie entscheiden können: Becej's Aleksandar Sapic mit der Kappe Nr.10. Vier Tore schoß er gegen Split, alle perfekt herausgespielt, wie es im Lehrbuch nicht besser zu beschreiben geht, dabei instinktsicher den kleinsten Vorteil nutzend. Aber immer wieder hielt Split dagegen. Alle acht Tore wurden von acht verschiedenen Spielern geschossen, wie soll sich eine Verteidigung darauf einstellen?

Der große Aleksandar Sostar, als bester Spieler des Turniers mit einer wertvollen Bronzeplastik ausgezeichnet, hatte lange nicht so oft hinter sich greifen müssen. An ihm waren Dinamo Moskaus Stürmer am Vortag beim 8:4 verzweifelt.

Zwei Schlüsselszenen der Finalbegegnung: Strafwurf zu Beginn des 3.Viertels für Becej beim Spielstand von 5:5. Milic schießt, aber Torwart Rebic lenkt zur Ecke. Strafwurf in der letzten Spielminute für Split. Mit vollem Risiko und der Masse des Zwei-Zentner-Mannes von Alen Boskovic geschossen, kracht der Ball links zwischen Pfosten und Latten-Unterkante zum 8:7 ins Netz. Die Faust des Trainers signalisiert Freude und Anerkennung. Beim letzten Becej-Angriff gibt es wieder Überzahl. Erneut springt ein Verteidiger in die Flugbahn und wehrt ab. Diese Deckung war kaum zu knacken.

In Neapel gab es lange Gesichter über den "4.Platz". Viel schlimmer war der ausbleibende Zuschauer-Zuspruch. "Il Mattino", die neapolitanische Heimatzeitung, schrieb über Posillipos "conti in rosso". Danach dürfte die Rechnung nicht aufgegangen sein. Alles hatte Neapel darangesetzt, noch einmal Austragungsort des Final Four zu werden, weil man sich damit Chancen ausrechnete, den Dreifach-Rekord von Mladost Zagreb aus den Jahren 1967, 1968 und 1969 einzustellen. Franco und Pino Porzio, jetzt im Wasserball-Marketing tätig, waren aber innerhalb eines Jahres nicht von Paolo De Crescenzo zu ersetzen.

Hoch anzuerkennen ist die Leistung von Becej, trotz der Kriegsereignisse in Top-Form durch Trainingseinheiten in Moskau und Budapest. Trainer Goran Radjenovic, das erste Jahr bei Becej im Amt, mit Italien-Erfahrung und guten italienischen Sprachkenntnissen durch seine Jahre als Spieler bei Volturno, greift im nächsten Jahr wieder zum Europa-Championat. Im Anschluß an Neapel ging er in Italien mit Pescara eine Woche ins Trainingslager, die italienische Meisterschaft ist ja der "Goldene Schlüssel" für die nächste Champions League. Dragan Matutinovic dagegen reiste nach Split. Er hatte mit seinem Erfolg die Qualifikation für die nächste Champions League automatisch erreicht. Der Matador macht Pause.

(08.06.1999)


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