Das Olympiaaus trifft die Vereine unvermittelt

¸¸Wenn man Randsportart ist und international erfolglos, werden noch weniger Jugendliche gelockt'', sagt Esslingens sportlicher Leiter

STUTTGART. Große Enttäuschung herrscht bei den deutschen Wasserballern. Die verpasste Qualifikation für Sydney könnte auch für die Bundesligisten SV Cannstatt und SSV Esslingen Folgen haben. Denn ohne Olympiaticket gibt es keine optimale Förderung.

Von Katrin Gros

So richtig kann es Steffen Dierolf noch gar nicht glauben. Nach der monatelangen Vorbereitung mit der Wasserball-Nationalmannschaft sind die sportlichen Träume am Wochenende beim Turnier in Hannover geplatzt. Die Deutschen scheiterten an der Olympiaqualifikation, und der Nationalspieler Steffen Dierolf wird die Entscheidungen in Australien lediglich vom Fernseher aus betrachten. ¸¸Die Enttäuschung ist wahnsinnig groß'', sagt der 23-Jährige vom SV Cannstatt. Mit der verpassten Olympiaqualifikation steckt der deutsche Wasserball in dem größten Tief der vergangenen Jahre. 1989 noch wurden die Deutschen Europameister - seitdem ging es mit der Ballsportart hier zu Lande immer weiter bergab. Hannover bedeutete nun die Endstation - und das nicht nur für die deutsche Nationalmannschaft. Nicht nur das Team von Uwe Sterzig, sondern der gesamte deutsche Wasserball hat sein Ansehen verloren. Die Trainer der beteiligten Nationalspieler forderten am Sonntag umgehend Konsequenzen - und Sterzig zum Rücktritt auf. ¸¸Es muss jetzt einfach ein Neuanfang
geschehen'', sagt der Cannstatter Trainer Henry Thiedke. Der gebürtige Esslinger Steffen Dierolf sieht den Hauptgrund des Abschneidens vor allem in der falschen Einstellung der Spieler. ¸¸Wir haben es wohl etwas zu leicht genommen, haben das Turnier eher als Durchgangsstation angesehen.'' Zu sehr habe man sich wohl auf den Heimvorteil und die vermeintlich leichte Gruppe verlassen, meint Dierolf. Doch nicht nur für die Nationalmannschaft hinterlässt Hannover seine Spuren. Auch die Vereine werden in Zukunft noch mehr in die sportliche und finanzielle Röhre schauen. Denn: Ohne Olympiaticket keine optimale Förderung, so lautet die schmerzhafte Regelung. In Zukunft wird daher der Deutsche Schwimmverband (DSV) dem Wasserballbereich noch weniger Geld zukommen lassen. ¸¸Uns war nicht so klar, welche Auswirkungen das Aus auch für unseren Sport haben könnte'', sagt Dierolf. Doch auch sein ehemaliger Verein SSV Esslingen und der jetzige Klub SV Cannstatt könnten die verpasste Olympiaqualifikation deutlich zu spüren bekommen. ¸¸Es wird noch schwerer werden, Sponsoren zu finden'', sagt Henry Thiedke. Daneben sieht er die Gefahr, dass die Aktiven immer weniger Motivation finden könnten, um die Sportart auszuüben. ¸¸Wir sind darauf angewiesen, dass Arbeitgeber mit uns kooperieren und den Spielern zu Lehrgängen frei geben'', erklärt Thiedke. Ob dies künftig der Fall sein wird, wird sich in nächster Zeit zeigen.
Ein Problem, das bereits schon jetzt besteht, ist die Nachwuchsarbeit in den Vereinen. Nur wenige Jugendliche finden zum Wasserball, und nach Ansicht des sportlichen Leiters Enrico Bertazzoni vom SSV Esslingen nimmt der Anreiz durch die schlechte Leistung der Nationalmannschaft noch weiter ab. ¸¸Wenn man Randsportart ist und auch noch international erfolglos, werden noch weniger Jugendliche gelockt.'' Für den deutschen Wasserball und damit auch die Vereine werden die nächsten Wochen und Monate zeigen, was das Olympiaaus für die Sportart wirklich bedeutet. Ein Neuanfang mit veränderten Strukturen auch in den einzelnen Landesverbänden wird nötig sein. Denn die Gefahr, dass der Wasserball nicht nur international, sondern auch regional in der Bedeutungslosigkeit versinkt, ist groß. ¸¸So richtig glauben, was wir da vermasselt haben, werden wir aber erst, wenn die Olympischen Spiele beginnen und wir zu Hause sitzen'', sagt Steffen Dierolf.

(16.05.2000 Stuttgarter Zeitung online - Stuttgart Internet Regional GmbH, 2000)


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