Deutsche Wasserballmeisterschaft, Play off  3.Spiel  

Neunzig Prozent Leistung sind nicht immer gut genug
Hannover macht die deutsche Wasserballmeisterschaft für Berlin spannend

Von Stanley Schmidt (Photo: Dr.G.Schwill)

Die Wasserfreunde Spandau 04 müssen die geplante Wasserball-Meisterschaftsfeier überraschend vertagen. Mit einem 10:7-Erfolg verkürzte Waspo Hannover in Berlin im dritten Finalspiel der Serie "best of five" auf 1:2.  "Wenn Spandau mit 90 Prozent spielt und wir mit 110 Prozent, dann ist der Kampf etwa ausgeglichen." So sieht Hannovers temperamentvoller Trainer Bernd Seidensticker das aktuelle Kräfteverhältnis zwischen den beiden besten deutschen Teams. Beim ersten Finalspiel in Hannover erlebten die Zuschauer denn auch ein spannendes Duell, in dem die erfahreneren Berliner schließlich doch mit 5:3 die Oberhand behielten. Die zweite Begegnung in der Schöneberger Halle  - das Olympia-Schwimmbad stand wegen des Fußballpokal-Finals nicht zur Verfügung -  entschied Spandau sicher mit 5:2 für sich, vor allem dank der besseren Defensiv-Arbeit.
"Ein Torhüter Alexander Tchigir macht etwa die Differenz von drei Toren in einem Spiel aus." Dies ist ein weiterer Merksatz von Waspo-Trainer Seidensticker, den sein Berliner Kollege Peter Röhle nur unterstreichen konnte. "Der Alex ist einfach Klasse."  Für den Spandauer Coach, der 416mal das Tor der deutschen Nationalmannschaft gehütet hat,  wäre es die vierte Meisterschaft in Folge als Trainer.  18mal durfte der Polizeisportlehrer als Spieler und Kapitän den Meisterpokal hochhalten. Nur 1993 konnte Waspo Hannover bisher die fast unheimlich anmutende Erfolgsserie unterbrechen. Auch vor Beginn der diesjährigen Play-off-Runde lagen die Niedersachsen in der Tabelle vorn. Spandau hatte offenbar nur 90 Prozent geben können. "Die Belastung durch die EM-Qualifikation und Champions League war einfach zu groß. Unsere Spieler konnten sich einfach nicht auf ganz normale Bundesliga-Spiele konzentrieren", erklärte Trainer Röhle den letzlich folgenlosen Schwächeanfall seiner Truppe.
Die verzichtete in den Finalspielen auf ihr großes Center-Talent Timo Purschke, weil der zwanzigjährige Nationalspieler überraschend für die nächste Saison beim ASC Duisburg angeheuert hat, wo er gute Freunde haben soll. Eine kleinkarierte Maßnahme des beleidigten Serienmeisters?  Spandaus Präsident, der selbsternannte "Interim-Bundestrainer" Hagen Stamm, sieht die Angelegenheit wie sein Vereinstrainer. Man habe mit dem jungen Mann und seinen Eskapaden viel Geduld gehabt. "Daß einer wegen des Abiturs monatelang nicht zum Training kommt, ist schon ungewöhnlich. Aber Timo hat sich auch entschuldigt, wenn er im Schulchor singen sollte oder die Oma Geburtstag hatte." Der sarkastische Unterton des Hagen Stamm täuscht nicht darüber hinweg, daß er enttäuscht ist.  Verzichten müssen die Berliner künftig auch auf Lasse Norbaek. Der Däne mit dem deutschen Paß will sich nach seinem neunten Titelgewinn mit den Spandauern verstärkt auf seine Arbeit in einer Werbeagentur konzentrieren. Es wird zwar mit bis zu zehn Trainingseinheiten bei den besten deutschen Wasserballspielern nach Profi-Maßstäben trainiert, aber bezahlt werden auch Auswahlspieler eher wie Amateure.
Da freut es den Spandauer Präsidenten schon, daß der Energieversorger Bewag AG signalisiert, daß er als Sponsor weiter zur Verfügung steht. Auf Hilfe vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) hoffen die Wasserballspieler schon lange nicht mehr. Sie wollen, wie Hagen Stamm sagt, lieber heute als morgen die Trennung vom DSV, um sich selbst vermarkten zu können. So habe der DSV trotz schlechter Erfahrungen mit der Agentur SMS wieder einen Exklusiv-Werbevertrag abgeschlossen, der auch die Fernsehrechte regele. Danach hätten ARD und ZDF das Recht, Wasserball zu übertragen, doch seit fünf Jahren würden die Öffentlich-Rechtlichen auf überregionaler Ebene davon keinen Gebrauch machen. Die verpatzte Olympia-Teilnahme war nicht gerade ein gutes Argument für ein größeres Fernsehinteresse. Entsprechend bescheiden seien die Finanzierungmöglichkeiten. "Ein Teufelskreis", sagt der Bundestrainer. "Mit ihm ist die Stimmung in der Nationalmannschaft wieder gut", sagt Peter Röhle, der bei der Europameisterschaft (15. bis 24. Juni in Budapest) zum Trainerstab gehört. Und dort würde sich Hagen Stamm über einen neunten Platz, der zur WM-Teilnahme berechtigt, mindestens so freuen wie über den 22.Titel seiner Spandauer.  

(29. Mai 2001)


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