Spandaus Wasserballer in der Champions League


[von Dr. Günter Schwill]
 
Es war ein Kraftakt in Berlin, ehe der Einzug in die Champions League feststand. Im Schlüsselspiel der Vorrunde bezwang "Wasserfreunde Spandau 04" den hohen Favoriten aus Italien "Ina Assitalia Roma" mit 7:6 (2:2,1:1,3:2,1:1) und reihte sich nach zweijähriger Abwesenheit mit diesem Sieg wieder in den Kreis der besten Europäer.
 
Die deutsche Wasserball-Prominenz hatte sich in Berlin eingefunden, um das Europacup-Turnier aufmerksam zu verfolgen, das richtungweisend für Spandau und den deutschen Wasserballsport werden sollte, allen voran Bundestrainer Uwe Sterzik und DSV-Wasserballwart Ewald Voigt-Rademacher.
 
Diese vier Teilnehmer hatte das Los in Berlin zusammengeführt:
1. Splitska Banka (früher: Posk Split), amtierender Champions-League-Sieger, unter Trainer Dragan Matutinovic eine führende Wasserball-Adresse in der kroatischen Adria-Stadt Split.
2. Ina Assitalia Roma, italienischer Champion, der im Sommer die Wasserball-Hochburg Posillipo Neapel entthront hatte. Trainer Pier Luigi Formiconi gilt seit langem als Vollblut-Trainer. So zählen zu seinen Erfolgen eine Europameisterschaft bei Italiens Junioren sowie drei Europameisterschaften in Folge und ein Weltmeistertitel bei den Frauen. Gut zu verstehen, dass er jetzt sein Meisterstück auch bei den Männern abliefern wollte.
3. SC Kreuzlingen, seit fünf Jahren in der Ersten Liga, 1999 das erste Mal Schweizer Meister, angetreten mit einem dynamischen Management um Präsident Christof Keller und Trainer Mirko Roehl aus der früheren deutschen Wasserball-Hochburg Magdeburg.
4. Wasserfreunde Spandau 04 als Veranstalter, seit Spätsommer 1997 von Peter Röhle gecoacht, der seine legendäre 20jährige Karriere als Aktiver nahtlos nun als Trainer fortsetzte. Mit seiner "Neuen Garde", einer Mischung aus Erfahrung und jugendlichen Heissspornen, stellte er sich Europas Spitze entgegen.
 
Der Turnierverlauf:
Spandau eröffnete die dreitägige Spielserie gegen Kreuzlingen - Trainer Röhle gegen Trainer Roehl. Schnell sah Peter Röhle, dass er seine Junioren überfordert hatte, die alle von ihm die Chance zur internationalen Feuertaufe erhalten hatten. Nach zwei Vierteln nur 4:4. Schnell beseitigte seine Topbesetzung im dritten Viertel mit 4:0 alle Zweifel, Endergebnis ein sicherer 11:5 (3:2,1:2,4:0,3:1)-Erfolg. Torschützen Noerbaek und Andruszkiewicz (je 3), Elke und Schertwitis (je 2) sowie Pohlmann. Alle 13 Spieler waren zum Einsatz gekommen, im letzten Viertel tauschten die Torleute Tchigir und Uchal ihre Plätze. Was Röhle weitestgehend praktizieren konnte, nämlich Kräfte zu sparen, war in der Partie Rom gegen Split nicht möglich. Hier gab es kein Fintieren noch Taktieren, da der Sieg in dieser Begegnung bereits einen grossen Schritt Richtung Champions League bedeutete. Rom befand sich lange Zeit im Vorteil, führte nach zwei Vierteln 4:2, nach drei Vierteln immer noch 4:3 und verlor doch in einer wirklich hochklassigen Begegnung noch 4:5.
 
Spandaus Schlüsselspiel:
Gegen die mit zahlreichen Nationalspielern antretenden Römer zeigte Spandau "das beste Spiel der letzten Jahre" (Hagen Stamm). Die sehr gut stehende Verteidigung der Römer, an der Split fast gescheitert wäre, wurde mit Distanzschüssen geknackt. Dreimal war Thomas Schertwitis, zweimal Kapitän Patrick Weissinger erfolgreich. Jedesmal liessen sie Nationaltorwart Marco Gerini schlecht aussehen, doch in jedem Schuss hatte sich der Spandauer Siegeswille in geballte kinetische Energie verwandelt. Elke und Noerbaek (per Strafwurf zum 3:2) vervollständigten die Trefferliste.
Beim 5:3 im dritten Viertel schien eine Vorentscheidung für Spandau gefallen zu sein, doch allzuschnell fielen Anschlusstreffer und Ausgleich. Noch einmal, mit unbändigem Siegeswillen, zog Spandau mit zwei Toren davon, nur noch 2:48 Minuten zu spielen. Gut 100 Sekunden vor Ende fiel durch Italiens besten Spieler, Alberto Angelini, das 7:6. Noch einmal musste gebangt werden. Die Freude beim Abpfiff der Unparteiischen Lalov (Bulgarien) und Van Heems (Frankreich) war unbeschreiblich. Spieler, Betreuer und Funktionäre lagen sich überglücklich in den Armen. Peter Röhle war stolz auf seine Spieler, die sein Konzept diszipliniert bis zum Schlusspfiff befolgt hatten. So gab Lasse Noerbaek nicht den Ball aus der Hand, obwohl er wenige Sekunden vor Schluss zum 8:6 hätte erhöhen können. Er spielte, um ganz sicher zu gehen, die Zeit aus.
 
Freude und Stolz auf der einen Seite (Peter Röhle), Enttäuschung bei Trainer Formiconi, gegen den sich in dieser Saison alles verschworen zu haben schien: Der Weggang seines Centers Ferretti, das Fernbleiben der Neuverpflichtung Humbert (USA) und die zu Wochenbeginn von der FINA gefällte Sanktion gegen Benedek wegen Dopings. Noch am Abend beim Bankett, das der Berliner Senat in Würdigung der langjährigen Erfolge der Wasserfreunde Spandau 04 im Holiday Inn gab (Staatssekretär Löhe: "Spandau als Berlin-Botschafter"), war Roms Manager, der Altinternationale Mario Fiorillo, tief enttäuscht und ziemlich wortkarg.
 
Spandau hatte sein Ziel vorzeitig erreicht, den Einzug in die Champions League. Zwei Jahre lang war der Verein zum Zuschauen verurteilt gewesen, nun im 4.Jahr der Champions League und gleichzeitig im 37. Landesmeister-Wettbewerb sind die Havelstädter wieder unter den besten Acht in Europa. Peter Röhle setzte sofort neue Ziele: "Auch in der Champions League werden wir punkten!"
Dass er am Schlusstag nicht mehr gegen Split punktete und sogar deutlich mit 3:10 unterlag, hatte in seinen Augen gleich einen heilsamen Effekt. Jetzt weiss jeder Spieler, wo er steht, bis zur Spitze in Europa ist noch ein weiter Weg.
Gegen Split trafen Weissinger (zum 1:3), Elke ( 2:6) und René Grotzky (3:9). Unglücklicherweise war für Lasse Noerbaek wegen einer tiefen Risswunde unter dem linken Auge das Spiel vorzeitig beendet, doch Mannschaftsarzt Dr.Roland Freund versorgte seinen Spieler noch am Beckenrand durch mehrere Nähte fachgerecht.
 
Die Champions League 1999/2000:
Für die in zwei Vierer-Gruppen auszutragenden Spiele der Champions League haben sich die folgenden 8 Mannschaften qualifiziert:
In Athen: Naftagas Becej und Olympiakos Piräus,
in Nizza: Spartakus Wolgograd und Natation Nizza,
in Zagreb: BVSC Budapest und Mladost Zagreb,
in Berlin: Splitska Banka und Wasserfreunde Spandau 04.
 
Wenn am 18.Dezember die LEN die Gruppen auslost, kann Spandau mit grosser Sicherheit mit zwei von drei Gruppensiegern rechnen (Becej, Wolgograd oder Budapest). Die Termine für die doppelte Punktrunde mit Heim- und Auswärtsspielen liegen zwischen Ende Januar und Anfang April.
 
Wieder einmal trägt Spandau als einzige Mannschaft die Hoffnungen Deutschlands im Europacup, zum 20.Mal seit 1979 im Cup der Landesmeister. Vier Cupsiege und zahlreiche zweite und dritte Plätze haben Spandau zu einem der erfolgreichsten Vereine Europas gemacht. Peter Röhle ist dabei, diese Erfolgsbilanz weiter zu verbessern.
 
Die Spandauer Mannschaft:
Alexander Tchigir, Slawomir Andruszkiewicz, Timo Purschke, Deniz Pasaoglu, Lasse Noerbaek, René Grotzky, Alexander Elke, Thomas Schertwitis, Andreas Schlotterbeck, Patrick Weissinger, Igor Uchal, Dennis Wieder, Jens Pohlmann. Trainer Peter Röhle. Manager: Volker Strobel.

Die Ergebnisse von Berlin (26.-28.11.1999):

WF Spandau 04 - SC Kreuzlingen (3:2,1:2,4:0,3:1) 11:5
Splitska Banka - Ina Assitalia Roma (1:2,1:2,1:0,2:0) 5:4
WF Spandau 04 - Ina Assitalia Roma (2:2,1:1,3:2,1:1) 7:6
SC Kreuzlingen - Splitska Banka (1:5,1:2,1:6,1:8) 4:21
Ina Assizalia Roma - SC Kreuzlingen (4:1,5:1,5:2,5:1) 19:5
WF Spandau 04 - Splitska Banka (0:3,1:2,1:2,1:3) 3:10

Die Abschlusstabelle:

1. Splitska Banka 3 6:0 36:11
2. WF Spandau 04 3 4:2 21:21
3. Ina Assitalia Roma 3 2:4 29:17
4. SC Kreuzlingen 3 0:6 14:51

Startseite News