Nicht nach Belgrad

VON CLAUS BASTIAN. Das Vorrundenturnier im Wasserball-Europacup der Frauen mit den drei Landesmeistern SG Neukölln, Polisens IF Stockholm und Ausrichter Dinamo Pancevo/Jugoslawien wird nicht wie vorgesehen vom 2. bis 4. April in Belgrad stattfinden.
Sollte sich die politische Situation nicht grundlegend ändern, wird vom 16. bis 18. April in Szeged/Ungarn gespielt, entschied die Europäische Schwimm-Liga nach massivem Protest durch die Vereine in Stockholm und Berlin.

Ungeachtet dessen resit der deutsche Meister SG Neukölln Berlin vom 24. März bis 1. April zu einem Trainingslager nach Szentes in Ungarn.

(23.03.1999)


Deutschland sagt wegen Balkankrise Sportveranstaltungen in Belgrad ab

Nur zögernd dem Beispiel anderer Länder gefolgt

Von Heinz P. Kreuzer
Berlin ­ Auch der Sport, der normalerweise den Einfluß der Politik als unerwünschte Einmischung ablehnt, zieht nun die Konsequenzen aus dem Konflikt im Kosovo. Der Deutsche Tischtennis-Bund ließ den letzten Meldetag für die Weltmeisterschaften verstreichen und verzichtet so auf die Teilnahme an der am 26. April beginnenden Veranstaltung in Belgrad.

Vor Deutschland hatten bereits die USA, Belgien, Norwegen, Schottland und Wales abgesagt, gestern folgten die Niederlande. Auch Schweden entsendet keine Mannschaft, verbot seinen Spielern allerdings nicht, auf eigenes Risiko in Belgrad an den Start zu gehen.

Deutschlands Sportler verschwendeten indes an diese Möglichkeit keinen Gedanken. Und zwar nicht nur deshalb, weil sie in Belgrad „immer mit einem flauen Gefühl im Magen aufgewacht" wären, wie Doppel-Europameisterin Elke Schall aus Uerdingen sagte.

Die deutschen Tischtennisspieler kritisieren vielmehr den Weltverband ITTF. „Belgrad als WM-Ort war von Anfang an nicht richtig", meinte die Aktivensprecherin Olga Nemes (Lübeck). Und Jörg Roßkopf aus Düsseldorf machte einen nicht wiedergutzumachenden Imageschaden für seinen Sport aus: „Man hätte bei der ITTF viel früher auf die Krise im Kosovo reagieren müssen. Es sind so viele Veranstaltungen in Belgrad abgesagt worden, da kann man doch nicht ernsthaft dort eine WM durchführen wollen."

Doch die ITTF konnte sich bisher nicht zu einer Verlegung der WM durchringen. Dahinter stehen finanzielle Interessen. Ein Großteil der Sponsorengelder kommt aus dem mit Jugoslawien befreundeten China. Insgesamt geht es um 730 000 Dollar. Gleichzeitig ist der ITTF-Präsident Xu Yinsheng Chinese.

Doris Pack, Balkan-Expertin der CDU und Abgeordnete im Europaparlament, hat dafür kein Verständnis. „Die Sportverbände müssen begreifen, daß sie ein Teil der europäischen Politik sind. Sie dürfen nicht im Angesicht des Todes in Belgrad an lustigen Sportveranstaltungen teilnehmen." Und Karl Hafen, Geschäftsführer der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), klagte: „Milosevic nutzt den Sport als Darstellung seiner erfolgreichen Politik. Das Volk muß begreifen, daß Milosevic schlecht ist, damit es ihm nicht weiter hinterherläuft. Unter den jetzigen Umständen darf kein Kontakt entstehen."

Trotzdem reagierte auch der Fußball nur zögernd. England eröffnete zwar konsequent den Boykott gegen Jugoslawien, indem die für den 18. November angesetzte Freundschaftpartie beider Nationalmannschaften absagt wurde. Der europäische Fußballverband Uefa jedoch berät seit Tagen darüber, ob das ohnehin hochbrisante Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsgegnern Jugoslawien und Kroatien, das an diesem Wochenende geplant war, verlegt wird. Ein Ausschluß Jugoslawiens wie bei der EM 1992 und 1996 sowie bei der Weltmeisterschaft 1994 wird noch nicht diskutiert.

Abgesetzt wurde gestern der Wasserball-Europacup der Frauen vom 2. bis 4. April in Belgrad. Der europäische Schwimmverband LEN reagierte damit auf Proteste des deutschen Meisters SG Neukölln Berlin und des schwedischen Klubs IF Stockholm.

(Die Welt 23.03.1999)


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